Der Inselrat plant, Abfälle aus anderen Ländern zu importieren, um die Auslastung der Müllverbrennungsanlage Son Reus vor den Toren Palmas zu verbessern. „Wir prüfen diese Möglichkeit“, sagt die zuständige Umweltdezernentin des Inselrats Catalina Soler. Die notwendige Gesetzesänderung hat die Balearen-Regierung bereits in die Wege geleitet.
Son Reus verfügt über vier Verbrennungsöfen mit einer Kapazität von insgesamt 715.000 Tonnen pro Jahr. Tatsächlich werden dort jedoch nur rund 400.000 Tonnen Abfälle verfeuert. Im Sommer läuft die Anlage zwar fast im Hochbetrieb, im Winter dagegen standen zwei der Öfen monatelang still. Um die Anlage effizient zu nutzen fehlt Müll. Der soll jetzt aus dem Ausland kommen, sagt Soler.
Wie die spanische Tageszeitung "Ultima Hora" am Donnerstag berichtet, befindet sich der Inselrat im Gespräch mit sieben europäischen Großstädten in Italien, Irland und England. Es handelt sich um Rom, Florenz, Pescara, Dublin, Cork, Derry und Hull. Aus diesen Orten sollen 2013 möglicherweise bis zu insgesamt 100.000 Tonnen Müll importiert werden.
Die Abfälle sollen einmal wöchentlich per Schiff eintreffen und rund 3000 bis 3500 Tonnen Fracht umfassen. Als Ankunftshafen komme mit hoher Wahrscheinlichkeit Alcúdia in Betracht. Von dort müssten die gepressten Abfallballen per Lastwagen in die Verbrennungsanlage nach Son Reus geschafft werden.
Der Inselrat, der für die Abfallentsorgung auf Mallorca zuständig ist, hat die Aufgabe bis zum Jahr 2041 an das Unternehmen Tirme delegiert. Dieses überweist jährlich rund 1,3 Millionen Euro an den Inselrat und kassiert seinerseits von den Gemeinden für jede Tonne Restmüll 131,05 Euro.
Da die erst kürzlich für viel Geld erweiterte Anlage nicht ausgelastet ist, hat Tirme nun eine drastische Anhebung der Gebühr gefordert. Um diese zu vermeiden, plant der Inselrat jetzt den Import von Abfällen aus dem Ausland. „Wir müssen Lösungen suchen, wenn wir eine Anhebung der Müllgebühren verhindern wollen“, sagt Soler. Laut Berichten der Tageszeitung „Ultima Hora“ könnten Abfallimporte jährliche Mehreinnahmen von 14 Millionen Euro generieren.
Das aber ist noch nicht alles: Die bei der Müllverbrennung entstehende Wärme wird zur Stromproduktion genutzt. Tirme verkauft die so produzierte Elektrizität an den Stromkonzern Endesa. Deshalb bedeutet jede Tonne verbrannten Mülls bares Geld.
Dies ist auch der Grund, warum Soler nicht von „Abfall“ („residuos“) spricht, wenn es um die Müllimporte geht, sondern von „Brennstoff“ („combustible“). Es handele sich nämlich nicht um stinkende und triefende Abfallberge, die in Zukunft von anderswo auf die Insel geschafft werden sollen, sondern um „vorbehandelten“ Müll. Konkret heißt das: Die sortierten Abfälle würden zu kompakten und geschlossenen Ballen gepresst und als solche in die Verbrennungsöfen geschoben. „Die Bürger würden davon überhaupt nichts mitbekommen“, betont Soler.
Sorgen um das Image der Insel macht sich die konservative Politikerin nicht. „Viele Touristen kennen das längst aus ihrer Heimat, dass Müll von anderswo verbrannt wird“, sagt sie. Eduardo Gamero gibt ihr recht: „Ich halte das Thema aus touristischer Sicht für irrelevant“, sagt der Vorsitzende der mallorquinischen Tourismusförderung („Fomento“). „Ob da nun etwas mehr oder weniger Müll verbrannt wird, spielt keine Rolle.“
Ganz anders sieht das die Opposition. Die Linksparteien kritisieren die Pläne scharf: „Die Regierung will Mallorca in die Müllkippe Europas verwandeln.“ Um die Rentabilität von Son Reus zu steigern, solle lieber die bis 2041 laufende Konzession verlängert werden. Auch die Umweltschützer vom GOB (Grup Balear d‘Ornitología i Defensa de la Naturalesa) protestieren gegen die Pläne, wie schon im vergangenen Winter, als mögliche Müllimporte aus Süditalien erstmalig ein Thema waren. „Das Geschäft mit dem Müll stinkt zum Himmel“, so der GOB in einer Pressemitteilung. Es könne nicht sein, dass das Verbrennen von Müll rentabler ist als das Wiederverwerten. Tatsächlich hat Mallorca eine im internationalen Vergleich extrem niedrige Recyclingquote – diese liegt bei gerade einmal 20 Prozent (Deutschland: rund 50 Prozent). (jm/as)