Auf den ersten Blick sieht es hier so aus, als wäre coronatechnisch nie etwas passiert. Gegenüber dem seit Freitag geöffneten Kultlokal „Balneario 6” tollen junge Leute aus deutschen Landen im Sand, sie haben Bierdosen in der Hand und schießen mit einem Ball auf eine Plastikflasche. Wer nicht trifft, muss trinken. „Endlich, wir sind hier”, ruft einer dem Reporter zu. Ein anderer äußert: „Es ist so geil hier.”
Einige Meter entfernt von den fröhlichen und nicht unbedingt entfesselt agierenden Youngstern sitzt brav und still eine Familie mit blonden Kindern auf Handtüchern, ein paar Meter entfernt eine weitere. Ebenfalls im Sand bewegen sich einige junge und ebenso blonde Frauen sichtlich glückselig im heute recht starken Wind. Dass Coronazeit ist, merkt man daran, wie genau Mindestabstände eingehalten werden und dass das Personal im „Balneario 6” Masken trägt. Die Spanier sind schon nicht mehr in der Mehrzahl.
Es ist Montag, 6. Juli, vor nicht einmal einer Woche schnellte die Zahl der Mallorca-Flüge ab Deutschland drastisch in die Höhe. Anders als das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel” schreibt, blüht das Leben im Urlauberareal, von wegen „Geisterinsel”. Noch vor zwei Wochen, es war bereits so heiß wie heute, befand sich das Gebiet aber noch in einer für den Sommer ungewohnten Totenstarre.
Dennoch: Vielerorts sieht es noch immer leer und öde aus. Durch die ehedem permanent gerammelt volle Schinkenstraße etwa fegt der Wind Papierfetzen, noch ist der in Deutschland fast mythisch verehrte „Bierkönig” geschlossen. Die angrenzenden Hotels sind ebenfalls zu, darunter das legendäre Riu San Francisco. Auch viele Restaurants und Cafés sind geschlossen.
Woanders haben aber Bars und Restaurants, die vor kurzem noch verrammelt waren, geöffnet. Dazu zählen das Steakhaus Mama Muu und die wohlbekannte Cafetería Celta. Was die Hotels anbelangt, so wollen 47 Prozent im Sommer öffnen.
Es ist halt ein für diese Ecke in dieser Zeit völlig unüblicher Zustand zwischen noch lange nicht ganz voll und mausetot. So geht es hier normalerweise Ende April zu. Am wohlgefüllten Strand rufen die afrikanischen Straßenhändler, die vor zwei Wochen noch gelangweilt durch die Straßen joggten, jetzt zu Dutzenden „aber hallo”, in einigen Straßen ist es dagegen fast unanständig leise. Woanders wiederum ist Bewegung spürbar: In der Bierstraße wird das kölsche Kult-Lokal „Et Dömsche” gerade auf Vordermann gebracht, gegenüber wird gehämmert, was das Zeug hält. Das wie ein Fels in der Brandung stehende „Deutsche Eck”, der Frohsinns-Tempel des Zampanos Michael Bohrmann, ist schon zu mehr als der Hälfte voll. Und Wirt Christian von der „Krone” hat jetzt so viel zu tun, dass er kaum etwas sagen kann.
Es geht halt los am Ballermann, wenn auch mit angezogener Handbremse. „Wir liegen jetzt bei 30 Prozent von dem, was in dieser Jahreszeit üblich war”, schätzt Gerlinde Weininger, die Wirtin vom beliebten bayerischen Restaurant „Münchner Kindl”. Um ihr Geschäft zu retten – man muss halt angesichts von Corona mit der Zeit gehen – bietet sie jetzt Sitz-Partys an, dazu werden die aus dem in diesem Jahr geschlossenen Mega-Park bekannten Gassenhauer gespielt. Man müsse den Leuten ein passendes Angebot machen, sagt sie. „Wer aber auf die Toilette will, muss eine Maske überziehen.” Früher sei man mehr Restaurant gewesen, jetzt eben mehr Partyecke. Man mache nun selbst ein kleines Pilotprojekt, so die Wirtin in Anspielung auf das touristische Pilotprojekt, das erst vor knapp über zwei Wochen zu Ende ging.
Dass am Ballermann in diesem Jahr vieles anders als sonst ist, sieht auch Marc Petersen. Der im renovierten Riu Concordia wohnende eingefleischte Playa-Fan findet das gut. „Das Publikum ist älter und kaufkräftiger als sonst”, sagt er. Man könne hier jetzt einen „schönen Urlaub” verbringen.
Und einen an Gegensätzen reichen. Während vor dem „Balneario 6” die Bierdosen kreisen und Wummermusik ertönt, hält manch eine gutsituierte Frau woanders ihr Rotweinglas in die Höhe und träumt wohl vom Tapas-Essen in Palma. Hier gediegene Zurückhaltung am Hotel-Pool, dort noch etwas gebremste Feierfreude auf dem Sand.
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