Selbst an einem Traumstrand wie der Playa Es Trenc kann so was schon mal passieren: Man bekommt plötzlich Durst. Oder Hunger. Oder beides. Also ab zur nächsten Strandbude. Egal ob in nasser Badehose, knappem Bikini oder ausgelatschten Adiletten. Am Chiringuito, an diesen kleinen, oft nur aus ein paar Planken zusammengezimmerten Tempeln südländischer Strandkultur, ist schließlich alles erlaubt. Oder war es bisher zumindest.
Sowohl Spaniens Küstenschutzbehörde als auch die balearische Landesregierung wollen die Zahl der Barfuß-Buden an den Playas aus Umweltgründen reduzieren. Betroffen davon sind auf der Insel derzeit ein Dutzend Chiringuitos, die zum Teil bereits seit mehreren Jahrzehnten betrieben werden.
Zum ersten Eklat zwischen alteingesessenen Strandbar-Wirten und den Behörden kam es Ende März an der Playa de Muro im Norden Mallorcas. Dort verweigerte die staatliche Küstenschutzbehörde den Betreibern von drei direkt an der Playa bei Can Picafort gebauten Strandbars ihre diesjährige Betriebsgenehmigung. Es handelt sich dabei um die auch bei deutschsprachigen Urlaubern beliebten Lokale „Oma & Opa”, „Ponderosa Beach” und „Can Gavella”. Grund für die Entscheidung sei, so urteilte die Behörde, dass der Abstand zwischen den einzelnen Lokalen weniger als 200 Meter betrage, so wie es eine bereits 2013 verabschiedete Verordnung vorsehe. Merkwürdigerweise hatte diese Vorschrift bei den Lizenzvergaben in den Folgejahren keine Rolle gespielt.
Dementsprechend verärgert reagierten die Wirte sowie die Anwohner der direkt hinter den Lokalen liegenden Wochenendsiedlung „Ses Casetes des Capellans ”, die meisten von ihnen seit vielen Jahren Stammgäste. Gemeinsam riefen sie Ende März eine Online-Petition ins Leben ( www.change.org ), um die Küstenbehörde zur Umkehr ihrer Entscheidung zu zwingen. Mehr als 3000 Unterschriften kamen bereits nach wenigen Tagen dabei zusammen.
Dicke Luft herrscht derweilen auch in den Strandbars an der Playa Es Trenc im Südosten Mallorcas. Dort drängt das balearische Umweltministerium die spanische Küstenbehörde, drei der sechs bestehenden Chiringuitos zu schließen sowie zwei der verbleibenden zwangsumzusiedeln. Nach Ansicht der links-grünen Regionalregierung in Palma würden die Strandlokale im Sommer zu einer Massifizierung von Urlaubern in dem zur Playa gehörenden Naturschutzgebiet Es Trenc-Salobrar und seinem Dünensystem führen.
Im Rathaus von Campos, in dem die Konservativen das Sagen haben, fürchtet man dagegen um die Einnahmen aus der Konzessionvergabe für die Strandbuden. „Die Regierung des Elends stiehlt uns wieder einmal die Saison”, donnerte daher dann auch gleich die Volkspartei PP im Rathaus in einer Stellungnahme. Ihrer Meinung nach koste die Verwaltung des Strandgebietes der Gemeinde pro Jahr ein Vermögen, insbesondere die Überwachung mit Kameras, das Sieben des Sandes, der Auf- und Abbau der hölzernen Gehwege sowie die Verwaltung der Parkplätze am Strand. Ohne die Einnahmen aus der Konzessionsvergabe seien diese Kosten kaum zu bewältigen. Außerdem wäre es in den vergangenen Jahren aufgrund der stetig schärfer werdenden Auflagen immer schwieriger geworden, überhaupt noch Betreiber für die Chiringuitos zu finden.
Die letzte Konzessionsausschreibung für die sechs Strandbars im Naturpark am Es Trenc ist mittlerweile sechs Jahre her. Veranschlagt wurden damals von der Gemeinde jährliche Einnahmen in Höhe von rund 770.000 Euro. Doch dieser Finanzplan sei nach Meinung des Rathauses in Campos nie aufgegangen. Grund: 2018 wäre die Ausschreibung erst viel zu spät von der Küstenschutzbehörde annonciert worden. 2019 hätten Chiringuito-Betreiber und deren Gäste über die unappetitliche Entscheidung der Landesregierung gemotzt, das vor ihnen am Strand sterbende Seegras aus Umweltschutzgründen nicht entfernen zu dürfen. Und 2020 brachte dann auch noch eine Corona-Pandemie das Geschäft zum Erliegen.
Dennoch. Von den derzeit sechs genehmigten Strandlokalen will die Balearen-Regierung drei abgerissen sehen: Die Strandbar neben der Ferienhaussiedlung Ses Covetes, die Beachbar an der Playa Marquès bei Colònia de Sant Jordi sowie eine weitere Bar direkt zwischen Ses Covetes und Colònia Sant Jordi. Das Rathaus von Campos hingegen will gegen die Pläne, wenn nötig, gerichtlich vorgehen.
Rechtlichen Knatsch mit der Gemeinde droht der Landesregierung derzeit auch noch an einem anderen Küstenabschnitt. So kündigte der Govern Balear im Zuge seiner Chiringuito-Säuberungsaktion am Montag (4.4.) an, ebenfalls die Strandbar an der Playa Sa Font de n´Alis im Naturschutzgebiet an der Cala Mondragó abreißen zu lassen. Das über 15 Jahre alte Gebäude entspreche schon längst nicht mehr den baurechtlichen Vorgaben des aktuellen Küstenschutzgesetzes, hieß es zur Begründung. Offen ist allerdings die Frage, wer für die Kosten des Abrisses aufkommen wird. Die zuständige Gemeinde Santanyí streitet mit der Landesregierung bereits seit Jahren darüber, wer denn eigentlich der „Besitzer” des Chiringuitos ist. Kurios: Weder im Katasteramt der Gemeinde noch in der Bauaufsichtsbehörde von Mallorcas Inselrat ist die Strandbar als solche registriert.
Abschied nehmen hieß es diese Woche zudem für ein echtes Kultlokal der heimischen Beach-Society. Nach 52 Jahren Betrieb fiel das Restaurant „Mar y Paz” in Can Picafort der Abrissbirne zum Opfer. Und mit ihm gleich mehr als 50 Arbeitsplätze. Auch hier begründete die spanische Küstenschutzbehörde den seit vergangenem Jahr ausstehenden Abrissbescheid für das Lokal mit „nicht erfüllbare baurechtlichen Vorgaben”.
Auf mögliche Hunger- und Durstanfälle von Besuchern des ganz in der Nähe liegenden Strandes nahm die Behörde ebenfalls keinerlei Rücksicht.