Eine Überraschung war es am Ende nicht mehr: Dass die Unesco Menorcas archäologische Fundstätten aus der Bronzezeit zum Welterbe erklären würde, galt schon vor der diesjährigen Zusammenkunft des zuständigen Komitees in Riad, der Hauptstadt Saudi-Arabiens, als sicher. Dennoch war die Freude groß, als die Entscheidung dann am Montagvormittag öffentlich wurde. „Heute ist ein historischer Tag für Menorca, die Balearen und Spanien”, jubelte etwa Ministerpräsidentin Marga Prohens, die eigens nach Riad gereist war – auch das ein Beleg dafür, dass die Entscheidung sich bereits abgezeichnet hatte. Spaniens Kulturminister Miquel Iceta wiederum schickte per Twitter eine Grußbotschaft und gratulierte den Menorquinern.
Inselratspräsident Adolfo Vilafranca sagte: „30 Jahre nach der Erklärung Menorcas zum Biosphärenreservat ist die Insel erneut ein internationaler Protagonist. Nur wenige Orte auf der Welt verfügen über diese doppelte Anerkennung durch die Unesco.” Die Kultur-Organisation der Vereinten Nationen hatte Mallorcas Nachbarinsel im Oktober 1993 zum Biosphärenreservat erklärt. Die ehemalige balearische Ministerpräsidentin und derzeitige Parlamentspräsidentin in Madrid, Francina Armengol, twitterte: „Mein großer Dank gilt der menorquinischen Gesellschaft dafür, dass sie für eine Kandidatur gekämpft hat, die uns vor der ganzen Welt als ein Land auszeichnet, das sich um sein Erbe kümmert und das seine Wurzeln bewahrt.” Mit der Unesco-Entscheidung gibt es in Spanien nun 50 Welterbestätten, auf den Balearen sind es drei, auf jeder der großen Inseln eine.
Bei Menorca handelt es sich laut Unesco um eine der Weltgegenden mit der höchsten Dichten an prähistorischen Fundstätten: Auf etwa 700 Quadratkilometern Fläche gibt es 1586 davon. „Auf der zweitgrößte Baleareninsel finden sich ausgesprochen viele Trockensteinbauten aus der Bronze- und späten Eisenzeit”, erklärt die Unesco. „Sie wurden aus großen Steinblöcken ohne Mörtel errichtet und zeugen von der sogenannten zyklopischen Architektur.”
Typisch für diesen Baustil seien runde Häuser, von Säulen getragene Dächer und künstliche Höhlen, Hypogäen genannt. „Aufgrund ihrer großen Zahl und ihres außergewöhnlich guten Erhaltungszustands geben die Bauten Aufschluss über die prähistorischen Inselkulturen der Region. So lasse ihre räumliche Verteilung auf hierarchische Gesellschaften schließen, während Blickachsen auf soziale Netzwerke und astronomische Ausrichtungen auf ein religiöses Bedeutungssystem hinwiesen. Das menorquinische Welterbe umfasst neun Gebiete, die etwa fünf Prozent der Insel ausmachen und auf denen sich 280 Talayot-Fundstätten befinden.
Auch Mallorca war ein Zentrum der Talayot-Kultur. Allerdings ist hier im Laufe der Jahrhunderte eine große Zahl der archäologischen Fundstätten verlorengegangen. Einer der Hauptgründe dafür ist die Landwirtschaft. Bauern haben die bronzezeitlichen Bauwerke vielerorts abgetragen, um die Erde bestellen zu können. Auf Menorca dagegen herrscht die Viehzucht vor, was dazu geführt hat, dass die meisten Talayots erhalten blieben. Dazu kommt, dass es auf Mallorca viele Jahre lang Usus war, die kunstvoll behauenen und aufgestapelten Felsblöcke für andere Bauwerke zu nutzen. Oder schlicht und einfach zu Schotter zu verarbeiten, der dann im Gleisbett einer Eisenbahn oder unter dem Asphalt einer Landstraße endete. Beim Ausbau des Flughafens Son Sant Joan vor einem halben Jahrhundert, als die zweite Start- und Landebahn entstand, wurde eines der wohl bedeutendsten Talayots der Insel zerstört. Nur wenige Fundstätten sind inselweit gut erhalten und zu besichtigen.
Ganz anders ist die Lage auf Menorca. Dort gibt es ein dichtes Netz ausgeschilderter und hervorragend instandgehaltener Talayots, die einen einzigartigen Einblick in die damalige Inselkultur ermöglichen. Dazu kommt, dass man sich auf Menorca seit Jahren strategisch dem Erhalt dieses archäologischen Erbes gewidmet hat. Seit 2009 bemühen sich die Menorquiner über alle Parteigrenzen hinweg um die Unesco-Auszeichnung. Auch von dem ersten gescheiterten Versuch im Jahr 2017 ließ man sich nicht entmutigen. Menorcas Inselrat will nun künftig rund zwei Millionen Euro pro Jahr in den Erhalt des Welterbes stecken, wie es heißt.