Der auf Mallorca lebende Journalist Juan Luis Ruiz Collado gilt als Experte in Sachen Tourismuswirtschaft. Dafür wurde er vom Fremdenverkehrsverband ausgezeichnet. MM traf ihn zum Gespräch.
Mallorca Magazin: Der Präsident des Fremdenverkehrsverbandes, Eduardo Gamero, erklärte im Rahmen der Auszeichnungsvergabe, dass Exzesstouristen dem Ruf der Urlaubsinsel extremen Schaden zufügen. Ist das nicht etwas übertrieben?
Juan Luís Ruiz Collado: An der Playa de Palma und in Magaluf geht es jeden Sommer drunter und drüber. Sie stellen eine Art touristisches Sodom und Gomorrha dar. Und sind hässliche Flecken auf dem Antlitz der Insel, die es zu beseitigen gilt.
MM: Wie kann das erreicht werden?
Collado:Nur mit harter Hand. In Amsterdam wird das Trinken von Alkohol auf der Straße mit hohen Geldstrafen belegt. Die Täter werden von der Polizei sofort zur Kasse gebeten. Wer kein Geld dabei hat, kommt mit aufs Revier. Aufgrund des immensen Medieninteresses, das Mallorca in Deutschland oder England weckt, dürfte bereits die Ankündigung dieser Maßnahmen dazu führen, dass jugendliche Party- und Krawall-Urlauber bei ihrem nächsten Besuch auf der Insel den Ball ganz flach halten.
MM: Und warum hat man solche Maßnahmen noch nicht umgesetzt?
Collado:Dafür müssten ein Haufen Gesetze geändert, bestehende Bürgerrechte eingeschränkt werden. Das bedeutet viel, sehr viel Arbeit. Und Beamte neigen in der Regel dazu, ihr Arbeitspensum nicht zu überstrapazieren.
MM: Mallorcas Urlaubsbranche schwimmt dennoch weiterhin im Erfolg?
Collado: Und wie. Dieses Jahr wurden wieder einmal alle Rekorde geknackt. Sowohl hinsichtlich der Gästezahlen, der Hotelauslastungen, den Einnahmen und der Saisondauer. Besser geht nicht.
MM: Also kein Grund, sich Sorgen zu machen?
Collado: Die Kollateralschäden des Massentourismus sind auf Mallorca nicht zu übersehen. Im Sommer platzt die Insel aus allen Nähten, Straßen, Strände und Städte quellen über vor Menschen. Die private Ferienvermietung und ausländische Immobilienkäufer haben Miet- und Kaufpreise in astronomische Höhen schießen lassen, viele Einheimische fühlen sich auf ihrer Insel nicht mehr zu Hause oder können nicht die monatlichen Lebenshaltungskosten stemmen. Das ist der Preis, den Mallorca dafür zahlen muss, eine der beliebtesten und erfolgreichsten Ferienziele in Europa zu sein.
MM: Ist das Konzept „Masse statt Klasse” die Lösung für das Problem?
Collado:Es klingt gut, ist aber kaum oder gar nicht umsetzbar. Politische Vorschläge, die Zahl von Urlaubern zu begrenzen, in dem man einfach nur noch eine limitierte Zahl hereinlässt, sind nicht realistisch. Mallorca in ein Luxus-Reiseziel zu verwandeln, in dem man Unterkünfte und Komplementärangebote noch teurer macht als jetzt schon, würde zu einem Exodus von Arbeitskräften und Einheimischen führen, die jetzt schon Schwierigkeiten haben, das Leben auf der Insel zu bezahlen.
MM: Wie sind die Aussichten für das kommende Jahr?
Collado:2024 wird für die heimische Tourismuswirtschaft ähnlich gut oder noch besser laufen wie in diesem Jahr.
MM: Trotz der galoppierenden Inflation in Europa?
Collado: Der Wunsch nach Strand und Meer ist inbesondere unter weniger sonnenverwöhnten Europäern größer als die Angst vor den Auswirkungen einer weiter anhaltenden Weltwirtschaftskrise. Mallorca zählt bereits zu einer der teuersten Destinationen in Europa. Der Corona-Schock, als man monatelang weder verreisen oder Geld ausgeben konnte, steckt vielen Menschen noch in den Knochen. Die große Frage ist allerdings, wie sich die Lage in den aktuellen Kriegsgebieten in der Ukraine und im Nahen Osten entwickelt. Sollte die Situation dort weiter eskalieren, könnte dies auch das Tourismusgeschäft auf Mallorca bereits kurzfristig durcheinander bringen.