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"Mallorca ist nicht das Paradies" – Das sagen Insel-Politiker und deutsche Urlauber zum Anti-Tourismus-Brandbrief

Nach dem "offenen Brief" von Umweltorganisationen, der Touristen auffordert, Mallorca zu meiden, kochen die Emotionen hoch. Behörden fürchten wirtschaftliche Folgen, Bürger sind gespalten

Für Mallorcas Umweltschützer sind Urlauber der Grund allen Übels. Und sollen daher lieber zuhause bleiben | dpa

| Palma, Mallorca | |

Die Landesregierung von Mallorca und den Nachbarinseln, die sich gerade in zähen Verhandlungen über ihren neuen "Anti-Sättigungsplan" verheddert, dürfte sich über das am Samstag unter anderem in der spanischen MM-Schwesterzeitung "Ultima Hora" veröffentlichte Schreiben mehrerer Umweltorganisationen – eine Art "Anti-Tourismus-Brandbrief" – weniger erfreut gezeigt haben.

Während die Minister im politischen Klein-Klein versinken, haben Aktivisten das getan, wozu Politiker nur selten den Mut aufbringen: Klartext reden. "Mallorca ist nicht das Paradies, das man Ihnen verkauft, die lokale Bevölkerung ist verärgert und wir sind nicht mehr gastfreundlich", poltern die Umweltschützer. Eine touristische Kriegserklärung, die in der Regionalregierung seit diesem Montag (17.3.) für hektische Krisensitzungen sorgte.

Zu viele Schlupflöcher, vieles bleibt nebulös

Die Regierung von Ministerpräsidentin Marga Prohens versucht derweil mit halbherzigen Maßnahmen, das Problem des Massentourismus und der Wohnungsnot in den Griff zu bekommen – oder zumindest den Eindruck zu erwecken, sie täte es. Der sogenannte Anti-Sättigungsplan, über den derzeit verhandelt wird, klingt nach mittelgroßem Wurf, hat aber so viele Schlupflöcher, dass man damit ein Hotel mit Meerblick finanzieren könnte.

Ferienvermietung in Mehrfamilienhäusern? Soll verboten werden. Wie das genau durchgesetzt wird, bleibt nebulös. Eine Begrenzung der Bettenzahlen? Ja, aber nur wenn die Gemeinden das möchten – was in der Praxis bedeutet, dass nichts passieren wird. Und als wäre das alles nicht schon ambitioniert genug, hofft Tourismusminister Jaume Bauzà allen Ernstes, dass sich die Parteien auf diese Maßnahmen einigen. Spoiler: Tun sie nicht. Die Linke findet den Plan zu lasch, die Rechte hält ihn für wirtschaftsfeindlich, und die regierende PP? Die laviert sich irgendwie durch, um niemandem wehzutun.

Die Verhandlungen erinnern an eine schlechte Seifenoper: Die Sozialisten fordern eine drastische Erhöhung der Touristensteuer, die Regierung kontert mit einer sanften Anpassung. Das große Problem, die massenhafte Umwandlung von Wohnungen in Ferienapartments, wird mit einer "Leerstandsbörse" bekämpft – was ungefähr so effektiv ist, als würde man ein Leck in einem Kreuzfahrtschiff mit Klebeband flicken. Im Hintergrund schimpft der mächtige Hotelverband über "überzogene Einschränkungen", während der Inselrat von Mallorca pflichtbewusst seine "Besorgnis" über die Entwicklungen ausdrückt. Ein Ritual, das sich in regelmäßigen Abständen wiederholt, um anschließend alles beim Alten zu lassen.

Und dann kam der Brandbrief ...

Dann kam der Brandbrief der Umweltorganisationen und die ganze Debatte nahm eine neue Wendung. Die Reaktionen der Mallorquiner zeigen, wie tief gespalten die Gesellschaft inzwischen ist. Während die einen den Touristen die Schuld an steigenden Mieten, verstopften Straßen und der Umweltzerstörung geben, halten andere das für ein Märchen.

"Genug von den einheimischen Sonntagstouristen, die unsere Strände überfüllen und sie vermüllen! Die Guiris (ausländischen Touristen) sind respektvoller!", schreibt ein empörter Insulaner auf Facebook. Ein anderer merkt süffisant an: "Wie soll diese Insel ohne den Tourismus überleben? Erinnern wir uns an die leeren Kassen während der Pandemie!" Und dann gibt es noch die, die offen die Doppelmoral der Tourismusgegner anprangern: "Viele dieser Umweltschützer leben selbst von der Ferienvermietung und kassieren Zehntausende im Monat!"

Auch deutsche Urlauber haben den Brandbrief zur Kenntnis genommen – und zeigen sich wenig begeistert. "Akzeptiert! Werde mein Geld woanders ausgeben!", kommentiert ein erboster Tourist. Ein anderer wittert eine Kampagne linker Aktivisten, die sich auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung profilieren wollen. Und natürlich darf auch die unvermeidliche "politische Einordnung" nicht fehlen: "Diese linksgrünen NGO-Aktivisten posaunen ihre Meinung heraus, als würden sie für alle sprechen. Zahlen sie auch den Lohnausfall für Hotelangestellte und Restaurantbesitzer?"

Die Fronten sind verhärtet, die Diskussion emotional aufgeladen. Während die Umweltschützer hoffen, mit drastischen Worten ein Umdenken zu bewirken, sieht es eher danach aus, als hätten sie vor allem eins erreicht: Noch mehr Chaos. Die Regierung taumelt planlos durch ihre Reformversuche, die Bürger sind sich uneins und die Touristen? Die packen vielleicht tatsächlich ihre Koffer – aber nicht für Mallorca.

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