Wenn Sie dachten, Airbnb vermiete auf Mallorca nur Ferienwohnungen mit WLAN und kunstvollen Handtuch-Schwänen, dann haben Sie die Rechnung ohne den neuesten Plan aus dem Silicon Valley gemacht: Auf den Balearen bietet die Plattform nun Erlebnisse an. Nein, nicht die Art von Erlebnissen, bei denen man nachts von der Guardia Civil geweckt wird, weil man illegal vermietet. Sondern Katamaranfahrten, Weinverkostungen, Yogasitzungen und Workshops zur Sandalenherstellung. Für den Fall, dass Sie sich im Urlaub noch nicht ausgelastet fühlen mit Chillen, Sonnen und Abendessen für 80 Euro pro Person.
Die neuen Erlebnisse haben alles, was man von einem durchoptimierten Freizeitkapitalismus erwarten darf: Gruppenrabatte, 5-Sterne-Bewertungen und natürlich variable Preiskategorien. 20 Euro für eine ethnologische Finca-Besichtigung in Llucmajor, 120 Euro für einen ganztägigen Ausflug nach Formentera. Der Unterschied zwischen Erlebnis und Dienstleistung? Im Prinzip egal. Hauptsache, man kann es auf der App buchen, stornieren, bewerten und mit einem Foto auf Instagram dokumentieren. Airbnb spricht bereits vom "nächsten großen Schritt" – mit der Subtilität eines Sonnenuntergangs-Selfies. Das Unternehmen hat angeblich 220 Millionen Euro in diese neue Erlebniswelt investiert und träumt von jährlich 1 Milliarde Euro Umsatz. Not bad für eine Firma, die einst begann, Matratzen im Wohnzimmer zu vermieten.
Vom Ferienhaus zur Feelgood-Fabrik
Der Gast muss nicht mal mehr bei Airbnb wohnen, um mitzumachen. Das Geschäftsmodell nennt sich „Plattformkapitalismus“, klingt aber deutlich netter, wenn man es „individuellen Genussurlaub“ nennt. Alles ist buchbar, filterbar und bewertbar – vom Fotoshooting in der Altstadt bis zur Paella mit Signature-Cuisine. Demnächst: Massagen, Spa-Behandlungen, Make-up und Nagelstudio – noch sind die Kategorien leer, aber Airbnb verspricht: "Demnächst verfügbar".
So funktioniert Kapitalismus heute: Man mietet kein Haus mehr – man mietet Lebensgefühl. Möglichst nachhaltig, möglichst lokal, möglichst authentisch – oder was davon übrig bleibt, wenn es durch die Filter von fünfzig Influencer:innen gelaufen ist.
Der Algorithmus kennt deinen Sonnenuntergang
Natürlich ist das alles ganz einfach zu bedienen. Man wählt Ort, Datum und Anzahl der Teilnehmer – und schon zeigt einem der Algorithmus, wie viel ein handverlesenes Erlebnis kostet, inklusive Umrechnung in Landeswährung und durchschnittlicher Glücksquote in Sternen. Der Gastgeber – ehemals Fremdenführer, Winzer oder Yogalehrer – nennt sich jetzt „Experience Host“ und kommuniziert direkt über die Plattform. Persönlich, aber nicht zu persönlich. Professionell, aber nicht zu professionell. Eben perfekt gestreamlinete Gastfreundschaft mit WLAN.
Es gibt wirklich nichts, was sich nicht in ein Produkt verwandeln lässt: Natur, Mode, Kultur, sogar das unvorhersehbare Chaos echter menschlicher Begegnungen. Alles bekommt seinen Platz zwischen „Jetzt buchen“ und „Stornierungsbedingungen beachten“. Airbnb verspricht Authentizität – aber was ist authentisch an einer Paella, die gleichzeitig zwölf Mal in zwölf Sprachen erklärt wird? An einem Naturspaziergang, der exakt 1 Stunde und 45 Minuten dauert und exakt an der Stelle endet, wo die Selfie-Spots am besten sind?
Die Balearen – das war mal Sonne, Sand und Sangría. Heute ist es ein digital kuratierter Freizeitpark für urbane Leistungsträger mit Zeitfenster fürs Glück. Und Airbnb ist der neue Reiseleiter, Erlebnisvermittler und Erinnerungsarchivar in einem. Wer braucht noch Zufälle, wenn es Buchungscodes gibt? Man kann das clever finden oder traurig. Airbnb bringt Erlebnisse dorthin, wo vorher nur ein leerer Pool stand. Vielleicht ist das die Zukunft des Tourismus. Vielleicht ist es aber auch nur das perfekte Sinnbild unserer Zeit: Alles wird Erlebnis, jeder Moment ein Produkt, jeder Gastgeber ein Start-up.