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Nautik & Meer

Buchten auf Mallorca werden noch voller! Regierung erlaubt plötzlich private Bootsvermietung

Im Hochsommer versperren seit Jahren ankernde Boote und Yachten die freie Sicht aufs Meer. Jetzt könnte es noch schlimmer kommen | Foto: Archiv UH

| Palma, Mallorca |

Wer in diesen Tagen an einer Bucht auf Mallorca sein Handtuch ausbreitet, wird bald merken, dass die freie Sicht aufs glitzernde Meer vorbei sein könnte. Wo früher der Blick über türkisblaues Wasser bis zum Horizont reichte, ragen künftig Masten und weiße Rümpfe wie eine schwimmende Stadt aus den Buchten. Dutzende Boote – egal ob Segelyacht oder Motorboot – liegen dicht an dicht, vollgestopft mit Feriengästen, die ihr Domizil nicht mehr über Airbnb an Land, sondern direkt auf dem Wasser gebucht haben. Seit dem 22. Juli dürfen in ganz Spanien Privatpersonen ihre Freizeitboote für bis zu drei Monate im Jahr legal an Touristen vermieten. Ein nautisches Airbnb, legalisiert per Dekret – ohne Rücksicht auf die ohnehin schon überfüllten Küsten der Balearen.

Die Zentralregierung in Madrid will mit der Regelung die maritime Wirtschaft ankurbeln. Doch auf den Inseln herrscht blankes Entsetzen. Die balearische Ministerpräsidentin Marga Prohens wirft Premier Pedro Sánchez vor, die Region mitten in der Hochsaison mit einer "Überfüllung unserer Küsten" zu überrollen. Dabei platzt die Inselgruppe schon heute aus allen Nähten: Fast 20.000 Liegeplätze sind registriert, doch mehr als 7000 Boote warten teils seit Jahrzehnten auf einen Hafenplatz. Viele legen einfach illegal vor Anker – oft mitten in empfindlichen Seegraswiesen, die eigentlich unter strengem Schutz stehen. Kontrolliert wird das selten, und genau hier droht der nächste Kollaps.

Die Zahlen zeigen, wie groß der Druck ist: 3462 Charterboote sind offiziell genehmigt, doch die Dunkelziffer illegaler Vermietungen liegt Experten zufolge längst höher. Ports IB, zuständig für die rund 50 öffentlichen Liegeplätze, verwaltet einen Teil der Balearen-Häfen selbst. Der Rest – die Mehrheit – liegt in privater Hand: Konzessionäre betreiben Marinas wie Luxus-Resorts, Hafenplätze sind knapp, teuer und heiß begehrt. Wer keinen bekommt, ankert – egal, ob erlaubt oder nicht. Katalonien liegt mit über 29.000 Liegeplätzen weit vorn, Andalusien mit 21.900 – die Balearen sind Spitzenreiter bei Neuzulassungen, haben aber am wenigsten Platz.

Segel- oder Motoryacht statt Hotelbett

Der Trend begann mit der Pandemie: Statt Hotelbett lieber eigene Segelyacht oder Motoryacht. 2025 sank die Zahl der Neuzulassungen zwar um 20 Prozent – doch mit dem neuen Gesetz könnte sie wieder explodieren. „Jeden Tag rufen neue Privatbesitzer an, um ihr Boot zu vermieten“, sagt ein Charterunternehmer. Die Regierung schreibt zwar vor, dass Vermieter eine Versicherung brauchen, ein Charterunternehmen die Verwaltung übernehmen muss und ein Kapitän an Bord sein soll – doch wer kontrolliert das alles?

Der Verband der Charterunternehmen schlägt Alarm. "Das Gesetz öffnet der Schwarzvermietung Tür und Tor. Wir haben nichts gegen fairen Wettbewerb – aber wer soll das überwachen?", fragt Pedro Gil, Vorsitzender des balearischen Yachtcharterverbandes AECIB. "Niemand misst die Überfüllung des Meeres. Am Ende leiden alle: Anwohner, Gäste und die Natur."

Für Badegäste bedeutet das: weniger Platz, mehr Lärm, mehr Müll. An vielen Stränden drängen sich schon jetzt Boote dicht an dicht, Ankerketten reißen Seegraswiesen auf, schwimmender Müll treibt in Buchten, die bisher als unberührt galten. Die letzte offizielle Studie zur Tragfähigkeit der Küsten stammt aus dem Jahr 2020. Damals hieß es, man könne theoretisch über 37.000 neue Ankerplätze schaffen – ob das ökologisch sinnvoll ist, blieb unbeantwortet. Ingenieure warnten damals schon: „Die technische und gesellschaftliche Machbarkeit ist fraglich.“ Fünf Jahre später hat sich daran wenig geändert – außer, dass das Problem größer geworden ist.

Mehr Boote bedeutet mehr Chaos

Für Mallorca ist die Rechnung brutal einfach: Mehr Boote heißt mehr Chaos. Mehr Chaos heißt mehr Frust bei Anwohnern, mehr Ärger für Badegäste, mehr zerstörte Natur. Und all das, weil Madrid den Markt geöffnet hat, ohne an die Folgen zu denken. Die Inseln bleiben auf dem Ansturm sitzen – und auf der Frage, wer die Privat-Vercharterer überhaupt kontrollieren soll.

Ministerpräsidentin Prohens versucht nun mit einem Eildekret gegenzusteuern. In einer Sondersitzung des Nautischen Ausschusses am Dienstag verkündete sie, dass die Balearen mit allen rechtlichen Mitteln gegen das maritime Airbnb vorgehen wollen. In Häfen unter regionaler Verwaltung – also jenen, die direkt von Ports IB geführt werden – gilt bereits ein Verbot. Jetzt will Prohens den privaten Charter auch im Rest der Balearen einschränken. "Wir können nicht bis zum nächsten Jahr warten", betont sie. Schließlich ist die nationale Regelung bereits offiziell in Kraft – mitten in der Saison. Ein Albtraum für Anwohner und Behörden gleichermaßen.

"Die spanische Regierung hat uns nichts gesagt"

Von einer versprochenen Ausnahmeregelung für die Inseln, die die sozialistische PSIB angeblich bei der Zentralregierung erwirkt hat, will Prohens nichts wissen. „Die spanische Regierung hat uns nichts gesagt“, schimpft sie. „Tatsache ist, dass das gesamte Meer der Balearen in ein Airbnb verwandelt werden soll.“ In einem persönlichen Gespräch mit Regierungschef Sánchez will sie klarstellen, dass Mallorca den schwimmenden Wildwuchs nicht duldet.

Die Branche selbst zeigt sich gespalten. Einige sehen in den Privatbooten ein willkommenes Zusatzgeschäft, um ihre Wartelisten zu entlasten. Viele Charterunternehmen haben ihre Flotten längst ausgebucht – wer keinen Liegeplatz bekommt, soll halt vor Anker gehen. Andere fürchten den Imageschaden: Wenn unkontrollierte Crews auf schwimmenden Apartments lärmen, sinkt die Attraktivität der Buchten für zahlende Gäste. Und während Anker in geschützten Zonen graben, wächst die Angst um das fragile Ökosystem.

Die Balearen wollen mit ihrem Notdekret verhindern, dass die neue Regelung dem mühsam eingedämmten Overtourism neues Futter liefert. Doch ob sie damit gegen die nationale Gesetzgebung durchkommen, ist unklar. Klar ist nur: Der Streit um das schwimmende Airbnb wird nicht im Hafen enden. Sondern in Gerichtssälen – während Strandurlauber weiter in der Sonne brutzeln, Kinder planschen, und am Horizont ein Heer aus schwimmenden Ferienwohnungen immer näher rückt.

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