Dieser Ort dürfte der frischeste der Insel sein, zumindest dem Duft nach. Sobald sich die schwere Metalltüre öffnet, wird der Besucher regelrecht umhüllt von einer Zitruswolke. Die belebenden Aromen entweichen indes nicht einem künstlichen Duftspender, sondern einem Naturprodukt par excellence. Hier werden Zitronen gespalten und ausgequetscht, ihr Saft, reich an Anti-Oxidantien, kommt in den Eiscremeprodukten und Lebensmitteln zum Einsatz.
Ein Mann mit Kittel und Haarnetz verarbeitet maschinell eine Zitrone nach der anderen, prüft den Saft, entfernt die Schalenreste. Vitamin-C-Versorgung pur. Bis zu 30.000 Liter reinen Zitronensaft benötigt das Unternehmen im Jahr zur Herstellung des Eissortiments unter der bekannten Marke "Fet a Sóller" (hergestellt in Sóller).
Und wenn keine Zitronen entsaftet werden müssen, wie am vergangenen Dienstag, dann stehen Orangen auf dem Programm. Hier ist der Bedarf noch deutlich höher: Bis zu 60.000 Liter reiner Orangensaft rinnen dann aus dem Entsafter in die Vorratsbehälter.
Willkommen in der neuen Fabrik des deutschen Unternehmers Franz Kraus im Orangental von Sóller. Vor einem halben Jahr hat er die Eiscreme-Produktion, die sich im Ortskern von Sóller zuletzt auf vier Standorte verteilte, in die neu geschaffene Herstellungsstätte im Industriegebiet Son Angelats an der Landstraße nach Deià verlagert. Bis zu zwei Millionen Euro investierte Kraus – ("oder sagen wir besser: die Bank") – in die moderne Anlage.
Hier befinden sich nun nicht nur eine Eisfabrik, die selbst strengsten Auflagen für die lebensmittelverarbeitende Industrie entspricht, sondern auch das technologische Entwicklungszentrum von neuen Produkten sowie die Abteilungen für Vertrieb und Lagerung. Hinzu kommt ein Ladengeschäft, in dem die eigenen Waren sowie weitere Lokalprodukte aus Sóller und den Balearen wie Olivenöle, Weine, ökologische Mandeln und Meersalz verkauft werden.
Bis zu 80 Mitarbeiter zählt das Imperium, das Franz Kraus in über 20 Jahren mit seiner Eiscremeproduktion „Sa Fàbrica de Gelats“, den übrigen Waren wie Marmeladen, Honig und Sirup sowie dem Exporthandel mit Früchten aus dem Orangental geschaffen hat. Dadurch hat er nicht nur die Bandbreite der lokalen Wirtschaft erweitert, sondern auch an der Wiederbelebung der örtlichen Landwirtschaft mitgewirkt und ihr neue Absatzmärkte erkämpft; stets nach dem Motto, das sich Kraus auf die Fahne geschrieben hat: „Wir wollen natürliche Lebensmittel schaffen.“
Die ökologische Ausrichtung des Firmenchefs spiegelt sich im Bauwerk des neuen Firmensitzes wider: Drei Stockwerke erheben sich auf dem 550 Quadratmeter großen Grundstück, das Flachdach ist ausgelegt mit Fotovoltaik-Modulen, mit denen im Sommer 35 Prozent des Strombedarfs gedeckt werden. Auffällig ist die Verkleidung des Gebäudes mit einer perforierten Eisenverblendung, dicht an der Hausfassade. Die oxidierte Metallschicht schützt ohne Farbanstrich.
Daneben hat die Eisenhaut per Kamineffekt eine isolierende Wirkung für das Gebäude: Bei Sonneneinstrahlung wird das Eisengitter so heiß, dass dahinter die Luft aufsteigt und vom Boden her kühlere Luft an der Hauswand nachzieht. „Ich habe bislang nicht einen Tag die Klimaanlage einschalten müssen", sagt Kraus.
Im Inneren des Gebäudes aus funktionalem Industriebeton sind die Wände zum Teil mit gepressten Holzspänen verkleidet. Auch dieses Material hat Dämm- und Schallschutzfunktionen. So sind für die Mitarbeiter hohe und helle Räume entstanden, bei natürlicher Belüftung und Aussicht auf die Berge, inklusive einer Dachterrasse mit drei angepflanzten Olivenbäumen. Die Eisproduktion mit maximal 6000 Liter am Tag erfolgt unterdessen in sterilen Räumen im Untergeschoss, wo die angerührte Eiscreme bei minus 40 Grad haltbar gemacht wird.
Polígon Son Angelats, C./ Cristòfol Quintana Colom, 1
(aus MM 27/2017)