Einmal einsteigen, bitte! Am Bahnhof von Sóller geht es trubelig zu. Die Kulisse erinnert an einen Schwarz-Weiß-Film der 1920er Jahre. Ein junger mallorquinischer Mitarbeiter springt in den ersten Waggon des Zuges und beginnt die einsteigenden Gäste abzukassieren. „Sieben Euro kostet eine Fahrt von Port de Sóller nach Sóller, die Fahrt nach Palma von Sóller weitere 18 Euro”, erklärt der Schaffner.
Wer im Nordwesten von Mallorca Urlaub macht, der kommt um eine Fahrt mit der traditionellen Sóller-Bahn, die auch unter dem Namen „Roter Blitz” bekannt ist, nicht drumherum. Auf der etwa 28 Kilometer langen einstündigen Strecke von Palma nach Sóller geht es vorbei an Orangen- und Zitronenplantagen, Olivenbäumen und Schafherden. Ein Erlebnis ist auch die Fahrt durch den knapp drei Kilometer langen Alfàbia-Tunnel.
Doch die Sóller-Bahn ist nicht nur eine beliebte Touristenattraktion, sondern hat auf der Insel eine wichtige wirtschaftliche Bedeutung. 1912 wurde die Eisenbahnlinie in Betrieb genommen und zunächst von einer Dampflok gezogen. Ein Jahr später wurde die Straßenbahn „Tranvía” zwischen Sóller und Port de Sóller eingeweiht. Zu Beginn diente der Zug vor allem zum Transport von Waren und Lebensmitteln in die Inselhauptstadt Palma, erst 1930 fand die erste touristische Fahrt statt. Heutzutage verfügt die Bahn von Palma nach Sóller über vier Hauptzüge und drei Geleitzüge. Jeder Konvoi besteht aus insgesamt sechs Waggons. Die historische Straßenbahn, die den Hafen mit dem Sóller-Tal verknüpft, verfügt über sechs Bahnen mit jeweils acht Waggons.
Doch in den vergangenen zwei Jahren hat die Corona-Pandemie auch bei dem traditionellen Fortbewegungsmittel Spuren hinterlassen. Aufgrund des eingeschränkten Tourismus verzeichnete das Unternehmen hohe Umsatzeinbußen. Trotzdem fordert die Balearen-Regierung, die Zahl der täglichen Fahrten zu erhöhen. Die Eisenbahngesellschaft Tren de Sóller hat vergangenen Dezember vor dem balearischen Verwaltungsgericht Klage gegen die Auflagen des balearischen Verkehrsministeriums eingereicht. Diese schreiben vor, dass der Rote Blitz täglich mindestens viermal zwischen Palma und Sóller fahren muss – pro Richtung. Die Eisenbahngesellschaft begründet ihren Einspruch damit, dass aufgrund der Pandemie die Waggons beinahe leer verkehren würden. Das Unternehmen fordert stattdessen, das Angebot der touristischen Nachfrage anzupassen. Normalerweise verkehrt der Rote Blitz in der Nebensaison je Richtung einmal morgens und einmal abends zwischen Palma und Sóller. Derzeit befindet sich der Zug aufgrund von Wartungsarbeiten noch bis etwa Mitte Februar in der Winterpause. Die danach anstehenden Kosten seien mit wenigen Touristen aber kaum zu tragen, so Tren de Sóller.
Das Unternehmen beschäftigt insgesamt rund 100 Mitarbeiter. Diese sind in verschiedenen Abteilungen wie in der Buchhaltung, als Lokführer, Zugbegleiter oder für die Wartungsarbeiten angestellt. Einer von ihnen ist ein 29-jährige Mallorquiner aus Sóller, der aufgrund betrieblicher Gründe namentlich nicht genannt werden will. Er ist bereits seit acht Jahren bei dem Eisenbahnunternehmen angestellt. Die ersten vier Jahre arbeitete er als Schaffner. Mittlerweile ist der Mallorquiner als Leitstellenleiter tätig. Auch er bestätigt, dass die Zeiten derzeit für das Unternehmen alles andere als einfach sind:„Die vergangen zwei Jahre waren für uns Mitarbeiter ein ständiges Auf und Ab. Nach wie vor befinden wir uns noch zu 30 Prozent in der Kurzarbeit, 70 Prozent im Einsatz”, erklärt der 29-Jährige. Doch obwohl die Fahrten in den Wintermonaten nicht mehr so stark frequentiert werden wie im Sommer, besteht durchaus auch in der kälteren Jahreszeit Nachfrage nach Fahrten mit der Sóller-Bahn.„Immer wieder sprechen mich erstaunte Touristen an und wundern sich vor allem während der Feiertage zwischen Weihnachten und Neujahr, dass die Bahn nicht fährt. Auch im Winter kommen Touristen auf die Insel”, erklärt der Ferrocarril-Mitarbeiter weiter. Trotzdem seien die vom balearischen Verkehrsministerium vorgegebenen Auflagen utopisch.„Es gibt Tage, da kommen mehr Touristen nach Sóller, dann wiederum weniger. Es ist schwer einzuschätzen”.
Obwohl die Konzession der Sóller-Bahn bis 2055 verlängert wurde, ist die Zukunft aufgrund der epidemischen Lage ungewiss. Bleibt zu hoffen, dass sich der Tourismus in der kommenden Saison wieder vollständig erholt und die Bahn noch viele Jahre zahlreiche Touristen und Einheimische befördern und die naturbelassene Schönheit der Insel näher bringen kann.
Mehr Informationen zu Preisen und Abfahrtzeiten finden Sie unter: www. trendesoller.com .