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Wirtschaftsexperten auf Mallorca: "Globalisierung nicht zurückdrehen"

Aufmerksame Zuhörer: Wirtschaftsmanager Karl Gernandt (Kühne und Nagel) mit Gattin, CDU-Wirtschaftsexpertin Julia Klöckner, und die Gastgeber Christine und Klaus Michael Kühne. | Plattes Group

| Es Capdellà, Mallorca |

Beim Wirtschaftsforum "Neu Denken" im Hotel Castell Son Claret bei Es Capdellà diskutieren seit Donnerstag Wirtschaftsexperten, Unternehmer, Politiker und Wissenschaftler über Probleme der Gegenwart und Zukunftschancen. Das renommierte Wirtschaftsforum wird von der in Palma de Mallorca ansässigen Plattes Group (European Accounting) organisiert und von der deutschen TV-Journalistin Sabine Christiansen moderiert.

Am Freitagvormittag hielt Prof. Dr. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, die Eröffnungsrede. Er erörterte darin die wichtigsten Fragen der wirtschaftlichen Transformation und machte sich dafür stark, als Weltgemeinschaft weiter miteinander und nicht gegeneinander zu handeln. Wichtig sei, dass die Globalisierung nicht rückabgewickelt werde. Man sehe am Beispiel des Brexits, dass nationaler Protektionismus nicht zu mehr, sondern zu weniger Souveränität und letztlich zum wirtschaftlichen Abschwung führe. Vielmehr sei das Motto "Wandel durch Handel" nach wie vor die erstrebenswerte Vorgehensweise. Gleichzeitig gelte es aber, die ökologische und die soziale Transformation voranzutreiben. Letztere ist Fratzscher zufolge der wichtigste Aspekt auf dem Weg hin zu einer "neuen Globalisierung". Nur mit gesellschaftlicher Akzeptanz könne diese Globalisierung gelingen.

Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsförderung. Foto: DIFW

Aus der Corona-Pandemie zog der Experte vier Lehren für Deutschland. Wichtig seien widerstandsfähige Unternehmen, gute staatliche Institutionen, Wertschätzung für die Wissenschaft und eine solidarische Gesellschaft. Deutschland habe gerade zu Beginn der Krise gezeigt, dass es in diesen Punkten erfolgreich sein kann. Zwar bereiten ihm Populismus, Protektionismus und die Paralyse in Bezug auf Reformen oft Sorgen und es gebe auch gute Gründe für Pessimismus, aber, so Fratzscher, es gebe "bessere Gründe für Optimismus".

Christian Dürr, Fraktionsvorsitzender der FDP, führte in seinem Diskurs drei"D’s" an. Digitalisierung, Dekarbonisierung– also Umweltschutz– und Demografie. Die Liberalen hätten es sich zum Ziel gesetzt, nicht nur die Zeit für Planungs- und Genehmigungsverfahren zu halbieren, sondern auch die Digitalisierung des Staates voranzutreiben, damit dieser das Leben der Bürger einfacher und nicht komplizierter mache. "Lasst uns Macher sein und keine Bedenkenträger", so Dürr.

Im Hinblick auf den Klimaschutz merkte er an, dass Politiker eben nicht die besseren Ingenieure seien. Deshalb seien Entscheidungen auf politischer Ebene wie ein generelles Verbot von Verbrennungsmotoren fragwürdig. Wandel solle vielmehr durch die Förderung von Innovationen in den Unternehmen, nicht durch Verbote erzeugt werden. Im Hinblick auf den demografischen Wandel sagte Dürr: "Es kommt eine große Wohlstandsherausforderung auf uns zu, da die Gesellschaft immer älter wird." Der sogenannte Fachkräftemangel sei längst ein genereller Arbeitskräftemangel geworden. Deshalb müsse Deutschland ein modernes Einwanderungsland werden. "Damit meine ich die Einwanderung in den Arbeitsmarkt." Diese müsse einfacher sein, als die Einwanderung in die sozialen Sicherungssysteme, nicht umgekehrt.

Der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag, Christian Dürr.

Zum Thema "Krieg in der Ukraine, Energiekrise und Klimaziele der EU – ist der Green Deal noch zu halten?" diskutierten Dr. Markus Kreier (CEO RWE AG) und Roland Herings (CEO Aurubis AG) mit dem NTV-Wirtschaftschef Ulrich Reitz. Beide hoben die Wichtigkeit der Diversifizierung der Energie-Infrastruktur hervor. Die Debatte über den Ausbau neuer Technologien in dem Sektor müsse beschleunigt werden, damit sich Deutschland langfristig unabhängiger machen kann.

Im Anschluss referierte Alexander Birken zum Thema "Zeitenwende in der Weltwirtschaft: Abkehr von der Globalisierung." Der CEO der Otto-Group verwies auf die Inflation und den Konsumschock in Deutschland und attestierte eine verunsicherte Gesellschaft. Birken warnte in diesem Zusammenhang allerdings vor der Idee, die Globalisierung zurückdrehen zu wollen. Dank ihr sei weltweit mehr Wohlstand entstanden, eine Rückkehr in nationale Grenzen sei deshalb ein Fehler. Man müsse bei der Globalisierung jedoch "nachjustieren" und zu einer echten inhaltlichen Auseinandersetzung und einer ehrlichen Diskussion darüber zurückkehren.

Gerade in den sozialen Medien werde viel zu viel moralisiert, allerdings ohne wirkliche Debatte. Birken lud die Anwesenden des Forums deshalb dazu ein, in einen Austausch mit der Politik, den NGOs und der Zivilgesellschaft zu treten, um die "ökologische Soziale Marktwirtschaft" voranzutreiben. Mit Karl Gernandt, Executive Chairman der Kühne Holding AG und Dr. Karsten Wildberger (CEO Economy AG) diskutierte Birken anschließend über Herausforderungen, Chancen und Risiken für die Versandhandels- und Logistikbranche und sowie die Abhängigkeit von China. Zugeschaltet aus Frankfurt war am Freitagvormittag auch Dr. Martin Lück, Chefstratege der weltweit größten Vermögensverwaltung Blackrock, mit einem Digital Impuls zum Thema Globalisierung und Transformation.

TV-Moderatorin Sabine Christiansen führt durch das Event. Foto: Plattes Group

Ebenfalls unter den Gästen war die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Julia Klöckner. Gegenüber MM sagte sie: "Dieses Wirtschaftsforum ist eine tolle Initiative, weil die Menschen hier sehr offen miteinander sprechen können und es zur Begegnung zwischen Politik und Wirtschaft kommt. Man kann sich hier von glaubwürdigen Unternehmenslenkern, die für uns in Deutschland standortsichernd sind, ein tolles Feedback und gute Beispiele aus der Praxis holen."

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