Ein Auto für einen vorübergehenden Zeitraum abzustellen, ist denkbar simpel: einfach die passende Lücke finden, einparken, Zündschlüssel umdrehen, aussteigen. Das war’s. Anders sieht die Sache bei haushohen, Tausenden von Tonnen schweren sowie rund um die Uhr bemannten Fracht- und Containerschiffen, Fähren oder Oceanlinern aus. Sie müssen ihre Motoren nach dem Einparken weiter laufen lassen, um die Stromversorgung für Mannschaft, Passagiere, der Kühlung von Containern sowie der gesamten Bord-Elektrik während des Aufenthaltes im Hafen aufrechtzuerhalten, was jedoch zu einer enormen und seit langem von Umweltschützern kritisierten Luft- und Lärmbelastung für die Umwelt führt.
Grund: Im Gegensatz zu kleineren Privatyachten können dicke Pötte nicht einfach so an ein Landstromnetz angeschlossen werden. Zum einen, weil auf ihnen unterschiedliche Stromspannungen und Spannungsfrequenzen als an Land genutzt werden, zum anderen aber auch, weil die dafür erforderliche Stromleistung deren Kapazitäten in den meisten Frachthäfen übersteigt.
Anders in Palmas Fährhafen Porto Pi. Dort dürfen Kapitäne nach dem Anlegen seit kurzem den Zündschlüssel auf Aus stellen. Seit Anfang Mai steht dicken Pötten dort eine Landstromverbindung zur Verfügung. Damit ist Palma der erste spanische Puerto am Mittelmeer, der über eine solche Serviceeinrichtung verfügt. Das erste Schiff, das an die Steckdose gehängt wurde, war die Balearen-Fähre „Eleanor Roosevelt”. Eine Delegation der Europäischen Kommission war dafür extra aus Brüssel angereist, nicht zuletzt deshalb, weil der Großteil der Installationskosten mit Fördergeldern aus dem Kohäsionsfonds finanziert wurde.
„Erstmals können wir die Triebwerke während des mehrstündigen Aufenthaltes stoppen, was neben der Vermeidung von Lärm und Abgasen auch eine gewaltige Treibstoffersparnis bedeutet”, verkündete Balearia-Sprecher Antoni Mercant. „Dies ist ein wichtiger Schritt für eine nachhaltige Zukunft im europäischen Schiffsverkehr.” Tatsächlich plant die spanische Regierung mit finanzieller Schützenhilfe aus Brüssel auch die Elektrifizierung der anderen staatlichen Fracht- und Fährhäfen auf den Balearen wie Alcúdia, Ibiza und Mahón. Geschätzte Kosten: rund 22 Millionen Euro.
Cold-Ironing wird das System zur Versorgung von Industrie-Kähnen, aber insbesondere von Kreuzfahrtschiffen mit Landstrom in Häfen genannt, ein englischer Begriff, der auf das Erkalten der stählernen Kohlekessel von Dampfmaschinen zurückgeht, mit denen die Schiffe in früheren Jahren angetrieben wurden. Doch ebenso wie der Ursprung seiner Bezeichnung gilt auch das Cold-Ironing-System selbst mittlerweile als veraltet. Die Gründe dafür sind vielfältig.
„Cold-Ironing zur Reduzierung der CO2-Emissionen in den Häfen macht nur dann Sinn, wenn der Strom für die Schiffe aus erneuerbaren Energien stammt”, erklärte der Deutsche Reederverband in seinem jüngsten Bericht zu den Plänen der Bundesregierung, alle Häfen mit Landstromverbindungen auszustatten. Das sei aber in den meisten Fällen gar nicht gegeben. Auch in Palma versorgt das Gas- und Dampfkombikraftwerk Cas Tresorer den Porto Pi Hafen mit Strom. Eine Elektrizitätsversorgung mit erneuerbaren Energien dürfte auf Mallorca noch etlich Jahre dauern.
Weiterer Nachteil des Cold-Ironing-Systems sind die extrem hohen Baukosten für Landstromversorgungsanlagen. Gleiches gilt für die entsprechenden Installationen an Bord der Schiffe. Bei älteren Frachtern ist eine solche Anpassung aus technischen Gründen gar nicht erst möglich. „Der Wandel zu einer klimafreundlichen Schifffahrt kann nur auf dem Wasser, nicht an Land vollzogen werden”, erklärte vor einem Jahr auch der Verband der europäischen Kreuzfahrt-reedereien. In der Verantwortung stünden dabei die Unternehmen.
„Durch den Einsatz von umweltfreundlichen Treibstoffen wie grünem Wasserstoff, dem Einsatz von modernen Elektro-Antrieben sowie der Reduzierung des Strombedarfes an Bord, kann die Umweltbelastung auf dem Meer und in den Häfen schon bald drastisch reduziert werden”, hieß es weiter. Ganz ohne das Stoppen der Schiffsmotoren beim Parken.