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So wird die EU-Richtlinien zur freien Arztwahl auf Mallorca umgesetzt

Die sogenannte Patientenmobilität ist nicht für alles und jeden geeignet

Neue Perspektiven: Für gesetzlich Versicherte ist es künftig einfacher, sich im Ausland behandeln oder operieren zu lassen. Foto: AOK Mediendienst | AOK-Mediendienst, 53177 Bonn

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Die Nachricht klingt zunächst sehr vielversprechend: Die Umsetzung einer EU-Richtlinie zur freien Arztwahl in Europa soll die Rechte der gesetzlich versicherten Patienten stärken. Wer es als Kassenpatient vorzieht, sich statt zu Hause von einem Arzt im EU-Ausland behandeln zu lassen, soll dazu künftig Gelegenheit bekommen. Von "Patientenmobilität" oder "grenzübergreifender ärztlicher Versorgung" ("Asistencia Sanitaria Transfronteriza") ist bei diesen geplanten Behandlungsreisen die Rede.

Schon gab es erste Frohlockungen deutscher Ärzte auf Mallorca, denn für sie sieht es auf den ersten Blick so aus, als könnten viele ihrer deutschen Patienten, die zu Hause gesetzlich versichert sind, bei Behandlungen im Ausland künftig problemloser mit der deutschen Kasse abrechnen. "Grundsätzlich sind die neuen Richtlinien für alle eine gute Nachricht", sagt Marco Seita. Der deutsche Orthopäde der "Palma Clinic" hat öfter Patienten aus Deutschland, die Probleme haben, ihre hiesigen Behandlungskosten zu Hause erstattet zu bekommen. "Wenn die EU-Richtlinien vorsehen, dass man geplant zu Behandlungen ins Ausland fahren kann, und die Kosten im Rahmen der heimischen Sätze erstattet werden, ist das eine gute Sache."

So einfach ist es aber laut Experten nicht. Während in Deutschland die EU-Richtlinie zur Patientenmobilität schon im Oktober vergangenen Jahres umgesetzt wurde, ist in Spanien das entsprechende Dekret seit dem 7. Februar 2014 gültig.

"Da in jedem Land die Umsetzung ein bisschen anders aussieht, wurden sogenannte nationale Kontaktstellen eingerichtet, in denen man sich über genaue Modalitäten informieren kann", sagt Peter Christel, Leiter der deutschen Kontaktstelle in Bonn. Und kommt sogleich zu den Erklärungen und Einschränkungen, die für gesundheitliche "Grenzgänger" bestehen.

"Nach den neuen Richtlinien sind ambulante Behandlungen grundsätzlich unproblematisch in einem anderen Land." "Ein sozialversicherungspflichtiger Patient aus Deutschland beispielsweise kann in Spanien zu jedem Arzt seiner Wahl gehen, allerdings nur für Behandlungen, die auch im deutschen Behandlungskatalog aufgeführt sind und die auch zu Hause nicht genehmigungspflichtig sind. Er muss dann, wie ein Privatpatient, die Kosten zunächst selbst bezahlen und bekommt zu Hause den deutschen Kassensatz erstattet."

Bei stationären Aufenthalten sehe es schon komplizierter aus: "Der Patient braucht eine Genehmigung seiner Kasse für Operationen oder Krankenhausaufenthalte im Ausland. Die Kassen sind aber nicht verpflichtet, diese Genehmigungen zu erteilen."

Ablehnen könnten sie sie zum Beispiel, wenn es um Langzeitbehandlungen geht, um Organtransplantationen, Impfkampagnen oder sehr teure Untersuchungen. "Wir haben noch keine Erfahrung damit, wie kulant die Kassen mit den Genehmigungen im Ausland umgehen, weil die Richtlinien ja gerade erst in Kraft getreten sind." Sicher sei aber: Der Patient müsse stets in Vorkasse gehen und bekommt zu Hause nur die lokalen Sätze erstattet. Bei stationären Behandlungen sind Privatkliniken außerdem ausgeschlossen. "In Deutschland kann man als Kassenpatient ja auch nicht in eine private Klinik gehen und hinterher den Kassensatz abrechnen." Das würde für Patienten auf Mallorca bedeuten, dass nur die vier Kliniken "Son Espases", "Son Llàtzer," das "Hospital de Inca" und das "Hospital de Manacor" in Frage kommen.

Grundsätzlich, so betont Peter Christel, sei für Patienten, die sich im Ausland behandeln lassen wollen, immer noch die Direktabrechnung zwischen den Krankenkassen der einzelnen Ländern die günstigste Lösung. "Es besteht schon seit Jahren die Möglichkeit, sich eine Behandlung im Ausland mit dem Schein 112 genehmigen zu lassen", erklärt Christel. Mit diesem Schein würde von der heimischen Kasse bestätigt, dass sie alle Kosten im fremden Land übernimmt. "Das machen die Versicherer natürlich nur ungern, weil es für sie teurer werden kann, als die Patienten zu Hause behandeln zu lassen. Mit den neuen Richtlinien besteht nun die Möglichkeit, als Privatpatient in Vorleistung zu gehen. Dann zahlen die Versicherungen nur das, was sie sonst auch zahlen würden."

Auch Johannes Gessner, deutscher Hals-Nasen-Ohrenarzt im Facharztzentrum Porto Pi in Palma, ist sich noch unsicher über die Auswirkungen der neuen Möglichkeiten. "Einen Gesundheitstourismus wird das System sicherlich nicht in Gang setzen, aber ich könnte mir vorstellen, dass es für hiesige Residenten interessant ist, monatelange Wartezeiten im öffentlichen Gesundheitssystem für eine Operation zu umgehen, indem sie sich in Deutschland operieren lassen." Auch für ambulante Patienten in seiner Praxis, die nicht fest auf der Insel wohnen, könnte dies eine gute Nachricht sein. Und sein Kollege, der Orthopäde Stephan Becker, ergänzt: "Viele unserer ambulanten Operationen und Behandlungen sind hier günstiger als in Deutschland, so dass den Patienten keine zusätzlichen Kosten entstehen."

Deutsche Rentner mit Wohnsitz auf Mallorca, die ihre Rente aus Deutschland beziehen, sind laut Info von der Kontaktstelle in Bonn übrigens komplett von diesen Richtlinien ausgeschlossen. "Für sie wird aus Deutschland schon eine Pauschale an die spanische Seguridad Social gezahlt, die alle Behandlungen und Medikamente im Ausland abdeckt. Damit haben sie keine weiteren Ansprüche", erklärt Christel.

Notfälle bei Urlaubsreisen können nach wie vor mit der europäischen Krankenversicherungskarte abgerechnet werden. Genauere Informationen über die Regelungen in Spanien und Deutschland erteilen die nationalen Kontaktstellen.

(aus MM 14/2014)

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