Wenn das Dessert aufgegessen und der Espresso getrunken sind, kommt man bei fast jedem Restaurant-Besuch auf Mallorca an den immergleichen Punkt. Fieberhaft beginnt man, die Prozentrechnung aus der siebten Klasse anzuwenden, um sich eine angemessene Summe Trinkgeld auszurechnen. Aber Moment mal: Sollten es nun fünf oder zehn Prozent sein?
Zehn Prozent seien es lange nicht mehr, berichtet der deutsche Gastronom Uwe Schmidt. Zusammen mit seinen Kollegen Michael Falkenhain und Gabriel de la Cruz betreibt er seit vier Jahren das Restaurant UMI im Herzen von Palma, unweit des Passeig de Mallorca. Viele Einheimische trinken hier schon morgens ihren Cortado und kommen zum Mittagstisch, aber auch Deutsche sind oft unter den Gästen, denn es gibt beispielsweise hausgemachte Schnitzel, Kartoffelsalat und Knödel.
„In den vergangenen Jahren hat sich die Kartenzahlung bei uns verdoppelt”, erzählt der Berliner, und damit seien auch die Trinkgeld-Zahlung eingebrochen. Davor hätten die Gäste häufiger und mehr Trinkgeld gegeben. Grundsätzlich sei es möglich, auch das Trinkgeld mit Karte oder dem Smartphone zu zahlen, aber der Gastronom gibt zu verstehen: Bargeld werde lieber gesehen. „Der Abrechnungsaufwand ist zu hoch”, erklärt Uwe Schmidt. Hinzu kommt, dass Trinkgeld, das auf dem Konto eingeht, versteuert werden muss, Bares hingegen nicht.
Wie viele Münzen auf dem Tisch liegen bleiben, hänge aber auch vom Mitarbeiter ab: „Ein guter Kellner kann sich sein Trinkgeld verdienen”, so der Restaurant-Betreiber. Das bestätigt auch Franziska Schröder, die im Grillrestaurant El Patio an der Playa de Palma kellnert. „Es hängt auch von einem selber ab”, erzählt sie aus ihrem Arbeitsalltag. „Wir Kellner leben von unserem Trinkgeld”, so die 39-Jährige. „Oft haben wir große Gruppen, die getrennt zahlen, und da kommt mehr Trinkgeld zusammen. Das rettet uns”, sagt die Kellnerin. Über die Jahre hinweg sei es aber auch ihre Beobachtung, dass im Allgemeinen auf Mallorca weniger Trinkgeld gegeben werde.
Das deckt sich auch mit der Aussage des Verbraucherschutzverbandes auf den Balearen, Consubal. Der Präsident Alfonso Rodríguez sagt auf MM-Anfrage: „Heute, wo Zahlungen mit Kreditkarten möglich sind, ist dies weniger der Fall, da viele Menschen kein Bargeld mehr mit sich führen und daher kein Trinkgeld geben. Auch All-inclusive-Hotels haben sich auf das Trinkgeld ausgewirkt.”
Ratsam sei es, fünf bis sechs Prozent des Rechnungsbetrags in bar zu hinterlassen, so Alfonso Rodríguez. Nur so könne man sich sicher sein, dass das Geld dort landet, wo es hingehört: beim Personal. Denn das System der digitalen Zahlungsmittel werfe „viele Zweifel auf, ob das Trinkgeld wirklich an die Kellner geht oder vom Besitzer des Betriebs einbehalten wird”, erklärt der Präsident.
Die Art und Weise des Bezahlens auf Mallorca und in Spanien unterscheidet sich übrigens gänzlich von dem in Deutschland. Die Kellner kassieren nicht mit dem Portemonnaie direkt am Tisch. Stattdessen wird die Rechnung in der Regel auf einem kleinen Tablett an den Tisch gebracht und der Gast hinterlegt einen Schein. Im nächsten Schritt nimmt das Personal das Tablett mit und bringt es mit dem Rückgeld zurück an den Tisch. Im letzten Schritt entscheidet der Gast, wie viel Trinkgeld er geben möchte und lässt dies auf dem Tablett liegen. Wer in anderen Einkaufsituationen auf das deutsche „Stimmt so!” zurückgreifen möchte, sagt auf Spanisch einfach „Está bien!”.