Alte Olivenhaine strahlen eine große Ruhe und eine märchenhafte Atmosphäre aus, die in ihren Bann zieht. Sehen kann man sie zwar auch vom Auto oder Fahrrad aus - eine gute Möglichkeit ist zum Beispiel die Strecke von Deià nach Valldemossa auf der Ma-10 oder der Abschnitt zwischen dem Landgut Raixa und den Gärten von Alfàbia vor dem Tunnel von Sóller auf der Ma-11 -, wer aber richtig eintauchen will in die Welt der knorrigen, eigenwillig geformten Baumgreise, geht besser zu Fuß.
Wie Skulpturen in der Landschaft sehen die jahrhundertealten Olivenbäume aus, die man auf Mallorca besonders häufig in der Tramuntana findet. Die Phönizier waren es, die den Olivenbaum auf ihren Handelsreisen durch das Mittelmeer vor Tausend Jahren hier einführten. Den Anbau weiteten die Römer aus, als sie um 100 vor Christus auf die Insel kamen. Die Araber, die Mallorca vom 10. bis zum 13. Jahrhundert beherrschten, entwickelten später die Extraktion von Öl. Lange lebten die Bauern in der Tramuntana von dem "Gold der Sierra", wie es aufgrund seiner Farbe und seines Werts genannt wurde. Wer durch die Berge wandert, sieht, dass selbst steilste Hänge terrassiert wurden, um sie für den Olivenanbau nutzbar zu machen.
Der Olea Europaea, so sein botanischer Name, gedeiht im mediterranen Klima Mallorcas gut. Er ist sehr genügsam und widerstandsfähig. Hitze und Dürre hält er ebenso aus wie heftige Niederschläge und er schafft es, auf steinigem Boden zu wachsen. Schon eine Erdschicht von einem halben Meter über Felsen reiche ihm zum leben aus, erklärt Marga Morey von der Agrarkooperative Sóller. "Seine kräftigen Wurzeln verzweigen sich mit den Jahren weit, um Nährstoffe aus dem kargen Boden zu ziehen. Bewässert werden die Olivenbäume in der Tramuntana traditionell nicht. Sie wurden oberhalb der Grenze gepflanzt, bis zu der Quellen in der Erde vorkommen."
Mit den bizarren Formen, die der Olivenbaum mit der Zeit annimmt, sichert er sich also seine lange Lebensdauer. Dabei gehört er zu den langlebigsten Bäumen überhaupt und selbst im Uralter von mehreren 100 Jahren trägt er noch Früchte.
Als Unterarten unterscheidet man den wilden Olivenbaum (Olea Europaea Sylvestris) und Kultursorten wie etwa Picual oder Arbequina. Die Wildform habe breitere Blätter und kleinere Früchte und sei zäher als die kultivierten Varianten, sagt Marga Morey. Das gelte besonders für den mallorquinischen Sylvestris. Seine Stärke zeige sich schon darin, dass er oft zwei "Füße" (das heißt zwei Stämme) habe, manchmal auch drei. In der Tramuntana kann man das gut beobachten. Hier werden seit jeher die wilden Olivenbäume mit Zweigen von Kultursorten veredelt, um den Ertrag zu erhöhen, ohne die Robustheit zu verlieren. Dagegen kommen in neueren Plantagen in der Ebene auch Kultursorten in Reinform vor. Diese werden auch bewässert.
In der Antike galt der Olivenbaum als Baum aller Bäume. Ihm wurde Heiligkeit zugesprochen. Seit jeher ist er ein Symbol für Frieden, Hoffnung und Verwurzelung. Dafür steht auch Mallorcas berühmtester Olivenbaum, der 1999 von Pollença nach Palma vor das Rathaus verpflanzt wurde und über 600 Jahre alt ist.
Das Mallorca Magazin präsentiert drei Wanderungen, die durch Olivenhaine führen
Auf dem Camino de Muleta zum Hafen von Sóller
Ausgangspunkt ist unmittelbar hinter Kilometer 57 auf der Landstraße MA-10 von Deià nach Sóller. An einer Haarnadelkurve führt ein Asphaltweg nach links in Richtung Meer, diesem gilt es zu folgen. Nach ein paar Hundert Metern gelangt man zu einer Weggabelung, an der es nach rechts weiter geht. Von nun an verläuft der Weg auf der Wanderroute GR-221. Dieser führt an den Häusern des Landguts Muleta Gran vorbei, das von zahlreichen über 100 Jahre alten Olivenbäumen umgeben ist.
Nach einer guten halben Stunde erreichen wir hinter einer Zauntür den Olivenhain von Cas Aninyons. Gleich zu Beginn steht hier ein uralter Olivenbaum, der als El Camello bekannt ist, weil er - mit ein bisschen Fantasie - an ein Kamel erinnert. Hinter einer weiteren Zauntür durchqueren wir eine Koppel mit drei Eseln. Die Tiere sind offenbar an Wanderer gewöhnt und würdigen sie keines Blicks. Hunde mögen sie anscheinend nicht. Zumindest wollte der jüngste Esel den Dackel der Autorin dieses Artikels gerne mit Huftritten hinausbefördern.
Hinter der Koppel erreichen wir nach ein paar Minuten das Gebirgslandgut Muleta de Ca S' Hereu. Es wurde zu einer Ferienunterkunft umgewandelt und lädt zum Einkehren inmitten prächtiger Olivenbäume ein. Wer mag, kann auch die alte Ölmühle des Guts besichtigen. Von hier führt ein steiniger Weg durch alte Olivenbaum-Terrassenfelder und einen Pinienwald hinab nach Port Sóller. Kurz bevor das Tal erreicht ist, wartet noch eine Überraschung. Im Wald steht Ali, ein junger Marokkaner, und bietet frisch gepressten Orangensaft für zwei Euro pro Becher an. Nun sind es noch zehn Minuten bis zum Hafen. Von hier können wir auf demselben Weg zurückgehen. Wer Rundwanderungen lieber mag, kann auch erst ein Stück dem GR-221 Richtung Sóller folgen, dann am Torrent de Son Sales nach rechts abbiegen und zum Ausgangspunkt zurückkehren (siehe Karte 1).
Dauer: zweieinhalb Stunden hin und zurück.
Schwierigkeitsgrad: leicht
Der Olivenhain in Comassema
Diese Tour beginnt in der schönen Ortschaft Orient. Der Weg führt auf der Landstraße ein paar Hundert Meter in Richtung Bunyola und biegt dann nach rechts in den "Camí de Comassema" ein. Dieser hat eine lange Geschichte und ist bekannt als königlicher Weg ("camino real") von Bunyola nach Lluc. Jahrhundertelang sind hier Pilger auf ihrem Weg zum Kloster Lluc entlanggelaufen. Einen guten Kilometer geht es auf dem Asphaltweg durch ein Tal, bis zur Eingangspforte des Landguts Comassema (siehe Karte 2).
Der Ursprung der 800 Hektar großen, voll bewirtschafteten Finca geht bis auf das Jahr 1229 zurück, als die Aragonesen Mallorca von den Arabern zu- rückeroberten und die Ländereien aufteilten. Bereits seit 500 Jahren befindet sie sich im Familienbesitz der jetzigen Eigentümer. Der Zugang ist nur nach vorheriger Anmeldung erlaubt.
Hinter der Pforte: Stille, Ruhe und Weite. Auf beiden Seiten des Wegs liegen ausgedehnte Olivenhaine auf Terrassenfeldern. Einige Schafe laufen frei herum. Die mächtigen Bäume seien mehrere 100, manche sogar 1000 Jahre alt, meint der Besitzer. Nach einem halben Kilometer gelangt man an eine geöffnete Zauntür. Von hier aus sind auf einem Hügel die Häuser von Comassema sehen. Aus mittelalterlicher Zeit ist eine Ölmühle mit mechanischem Antrieb erhalten, die auch heute noch funktioniert.
Bei Interesse bieten die Besitzer eine Führung durch die Finca-Gebäude an. Wer weiter gehen möchte, kann in etwa eineinhalb Stunden zum Castell d'Alaró hinauf wandern. Der nicht ganz einfache Weg führt durch Stein-eichenwälder auf das 700 Meter hoch gelegene Plateau Pla d'es Pouet und von hier über einen restaurierten Trockenmauerweg zur Burgruine in 822 Metern Höhe.
Der Besuch des Landguts Comassema ist täglich möglich. Anmeldung unter Tel. 971-180117. Der Besuch mit Führung kostet zehn Euro, ohne Führung fünf Euro.
Dauer: eine Stunde (ohne anschließende Wanderung).
Schwierigkeitsgrad: leicht
Die Schlucht Barranc de Biniaraix
Wir starten in dem pittoresken Dorf Biniaraix bei Sóller. Es hat seinen Ursprung in einem alten muslimischen Gehöft. Am Ende des Carrer de Sant Josep liegt eine alte Waschstelle. Hier steht ein Hinweisschild auf die Wanderroute GR-221, die uns zur Schlucht und dann weiter zum Berg Ofre sowie dem Stausee Cúber führt. (siehe Karte 3)
Der Weg läuft bald über alte Trockenmauerwege durch terrassenförmig angelegte kleine Olivenhaine. Auf dem steingepflasterten, ansteigenden Pfad überqueren wir alte Brücken, passieren Brunnen und sehen kleine, liebevoll renovierte Bauernhäuser. Ständige Begleiter sind knorrige Olivenbäume, deren skurrile Formen die Fantasie anregen, mächtige Felsen und schmale, kultivierte Terrassen selbst an steilen Felshängen.
Nach etwa einer Dreiviertelstunde Aufstieg gilt es sich zu entscheiden. Wer weiter geht, erreicht in zwei Stunden den Berg Ofre und in drei Stunden den Stausee Cúber. Diese Tour gehört zu den schönsten und beliebtesten Wanderungen in der Tramuntana. Wer umkehrt, gelangt auf demselben Weg nach Biniaraix zurück, diesmal begleitet von einer herrlichen Aussicht ins Tal.
Da die Sonne zu dieser Jahreszeit schon recht tief steht, empfiehlt es sich, erst gegen Mittag zu starten, um nicht in der Schlucht im Schatten zu laufen. Wer bis zum Stausee Cúber hinaufsteigen möchte, sollte aber früh loslaufen. An Sonntagen herrscht in der Regel ziemlich viel Betrieb in der Schlucht.
Dauer: eineinhalb Stunden (ohne weiterführende Wanderung).
Schwierigkeitsgrad: mittel
(aus MM 47/2015)