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Portitxol gehört aktuell zu den angesagtesten Vierteln Palmas

Fischerromantik und gehobene Gastronomie locken an den einst verrufenen Stadtrand

Nah bei Palma, Blick auf die Kathedrale und dem Meer zugewandt: Portitxol besitzt alle Zutaten für ein Hipviertel. | Foto: Serge Cases

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Auf dem Mallorca-typisch grünen Fensterladen eines renovierungsbedürftigen ehemaligen Fischerhäuschens prangt ein orangenes "Se Vende"-Schild: 2.750.000 Euro steht darauf zu lesen. Der neutrale Betrachter staunt, Steffen Doehne ärgert sich. "Welcher Eindruck entsteht denn da? In Portitxol gibt es doch für jeden Geldbeutel etwas", sagt der Inhaber der "Mallorca Mietbörse und Inmobiliaria Portixol". Das Immobilienbüro liegt an der Promenade und Ausgehmeile des derzeit wohl angesagtesten Stadtteils der Balearenhauptstadt.

Portitxol, so Doehne, sei Mallorca für Fortgeschrittene. Aber eben nicht nur für Millionäre. Man könne hier schon ab 200.000 Euro eine schicke Wohnung bekommen, wenn auch nicht direkt am Meer. Von der dritten bis zur ersten Meereslinie vervielfachen sich die Preise. Sprich: Wenn ein Objekt in dritter Linie 300.000 Euro kostet, zahlt man für eine ähnliche Immobilie in der ersten Reihe 900.000 Euro. Dafür bekommt man zwar keine 200 Quadratmeter Garten, aber die suche auch niemand, den es an den kleinen Hafen an Palmas Stadteinfahrt zieht. Vielmehr das: Meer, Fischerhäuschen-Charme, vielleicht ein Hinterhof, lässige Kneipen. Von einigen Punkten aus habe man sogar Blick auf Palmas Kathedrale.

Der jüngste Imagewechsel des ehemaligen Fischer- und Gerberviertels in den vergangenen Jahren ist eng mit dem Hotel-Restaurant Portitxol auf der Halbinsel Sa Roqueta verbunden. Bis 1956 stand hier eine Windmühle, bevor sie einem Restaurant weichen musste.

Als das schwedische Unternehmerpaar Mikael und Johanna Landström 1999 dieses Restaurant von der mallorquinischen Familie Bujosa abkaufte und zu einem edlen Boutiquehotel umbauen ließ, war das geradezu visionär. Das "barrio" lud kurz vor der Jahrtausendwende nicht gerade zum Flanieren ein, vor allem nicht nach Einbruch der Dunkelheit. "Hinter dem heutigen Hotel standen Autos, die wohl als fahrendes Bordell dienten. Am Strand fand man regelmäßig Spritzen", erinnert sich Christina Østrem. Die Dänin ist bis heute Direktorin des Hotels Portixol und bekennende Anhängerin des Viertels. Nach dem Bau der Uferpromenade 2003 nahm die Popularität rapide zu, die Entwicklung zum In-Viertel nahm ihren Gang.

Die Gäste zahlen 130 bis 500 Euro, um eine Nacht im Designhotel zu verbringen. In den Zimmern hört man bei geöffnetem Fenster den Wind durch die Masten der Fischerboote pfeifen. Die Fischer selbst kommen aber nicht mehr wie früher ins Restaurant, um einen Kaffee zu trinken. Der sei ihnen vermutlich doch zu teuer, vermutet auch Christina Østrem.

In Sichtweite des "Portixol" liegt das "Nassau Beach", eine ehemalige Strandbude, die heute ein luxuriöser Beachclub ist. "Eine wahnsinnig schöne Gegend, die aus dem Dornröschenschlaf erwacht ist", sagt Lokal-Inhaber Günter Aloys. Zwei Windmühlen am Stadtstrand erinnern noch an die Anfänge, als sieben Straßenzüge mit Fischerhäuschen das "kleine Molinar" bildeten. In den 80er Jahren wurde es komplett abgerissen. Heute steht hier ein riesiger Apartmentblock mit Luxuswohnungen.

Noch gibt es Zufluchtsstätten für die Einheimischen, Fischer oder Leute mit weniger gut gefülltem Geldbeutel. Auf der Ecke Carrer Timó und Vicari Joaquín Fuster thront das schicke doppelstöckige "Cocco", folgt man jedoch der schmalen Carrer Timó in das Innere von Portitxol, gelangt man schon nach zehn Metern zur Bar "S'Areneta", benannt nach dem volkstümlichen Namen für den kleinen Strand von Portitxol.

Hier führt Juana María Serra das Regiment. Ihr Vater hat das berühmte "C'an Tito" gegründet, eines der ältesten Restaurants in Portitxol. "Ich gehöre hier zu den wenigen Mallorquinern", sagt sie und lacht. Die Ausländer seien aber willkommen im Viertel, betont die resolute Wirtin. Bei Juana kostet das Bier mit obligatorischer Tapa 1,80 Euro. "Unsere Preise haben sich in den letzten Jahren nicht erhöht", sagt sie. Koste der Wein bei ihr zwei Euro, seien es "an der Ecke" 4,50 Euro. Portitxol sei ein Dorf geblieben, aber mit einer kleinen Einschränkung: "Wenn man die erste Linie nicht dazurechnet."

Was an der Uferpromenade gerade mit den alten Fischerhäuschen passiert, ist auch den Stadtplanern nicht verborgen geblieben. Portitxol soll wie Santa Catalina im Stadtbebauungsplan einen besonderen Schutz bekommen, um die alte Architektur und damit den Charakter des Viertels zu bewahren.

Zudem steht dem Stadtviertel möglicherweise in naher Zukunft der größte Umbruch der vergangenen zehn Jahre bevor. Der Club Náutico von Molinar an der nördlichen Grenze des In-Viertels soll für 14 Millionen Euro von 10.000 auf 73.000 Quadratmeter vergrößert, die Zahl der Liegeplätze vervierfacht werden. Anwohner und Umweltschützer haben bereits protestiert.

"Jede Entwicklung ist prinzipiell gut, aber in diesem Fall bin ich gespalten", sagt auch Richard Färber, der mit seiner Eisdiele und Bar-Lounge "Iceberg" fast gegenüber vom Club Náutico sitzt. "Portitxol ist das Wohnzimmer von Palma und gleichzeitig ein internationales Begegnungszentrum", meint der 48-Jährige und hofft, dass das auch möglichst lange so bleibt. Für ihn hat Portitxol etwas von "Venice Beach", dem ehemals heruntergekommenen und heute hippen Künstler-Strandviertel von Los Angeles.

Färbers neue Nachbarn, der Schweizer Ex-Pilot Tom Leupin und sein ecuadorianischer Geschäftspartner Francisco Noboa, versuchen seit Mai mit einer Mischung aus asiatischen und europäischen Gerichten Akzente zu setzen. Neben "Rösti mit Spiegelei" gibt's im Momo auch asiatisches Thai-Curry. Nebenan verkauft die norwegische Bäckereikette "Fibonacci" Teigwaren. "Ich war zehn Jahre nicht mehr hier gewesen, kannte den Strand nur dreckig und hässlich", staunt Noboa. Jetzt trägt er selbst zum internationalen Flair bei. Tom Leupin will vor allem nicht zu abgehoben sein. "Der Gast soll sich auch mit Badelatschen bei uns wohlfühlen", sagt er. Das bislang etwas unterkühlte Design des Ladens will er deswegen noch einmal verändern.

Wohin das alles führt? "Bloß nicht kaputt renovieren", hofft Steffen Doehne, der auch künftig noch eine Paella für fünf Euro zum Menú del Día im Club Naútico essen möchte. Denn nur dort trifft er auch die einheimische Bevölkerung, die einen wichtigen Teil des Portitxol-Flairs ausmacht, bei aller Internationalität, Fusion-Küche und Panoramablick.

(aus MM 1 / 2014)

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