Sie sind der Gegenpol zu Shopping Center und Supermarkt. An schmalen, meist holprigen Wegen liegen sie, irgendwo auf dem Land, von außen unscheinbar, von innen einfach: Mallorcas Hofläden. Viele ausländische Residenten suchen gezielt nach ihnen, besonders wenn sie Bioprodukte anbieten wie etwa die Finca Sa Sabata bei Port d'Andratx. Eine alte Schafglocke an der Eingangspforte kündigt ankommende Kunden an. Im Eingangsbereich der kleinen Finca warten in Flechtkörben frisch geschnittene Kräuter und Salate, Gemüse, Zitrusfrüchte und Eier. In der Luft liegt der Duft von Kräutern. Auf einer Wiese spielen zwei Küken Fangen. Ein Kater schaut mit einem Auge zu. Im Hintergrund gackern Hühner, Ziegen meckern. "Hier ist noch Atmosphäre und das Gemüse ist frisch und naturbelassen", meint Stammkunde Gunther Thülig, Während der Biobauer Roger van Roy, ein gebürtiger Belgier, auf dem Feld Nachschub holt, bedient seine Frau, Annette Rathe, die Kunden. Man unterhält sich. Man nimmt sich Zeit. "Biologisch, lokal und nett", findet es Dana, die sich gerne neue Rezepte von der Bäuerin notiert. Ihr dreijähriger Sohn Eddie bestaunt derweil die Ziegen.
Auf der anderen Seite der Insel kauft Wilhelm Winkelvoß jede Woche auf Binifela ein, der Biofinca des Deutschen Georg Bräutigam bei Capdepera. Regional, saisonal und frisch, laute seine Devise, sagt der Kunde, der aus Bremen stammt und in Porto Cristo wohnt. Deshalb komme er hierher. "Wir essen die Woche über, was hier auf dem Feld wächst. Und während das Gemüse für uns gepflückt wird, schnacken wir." Das möge er auch.
Laut einer Erhebung des balearischen Agrarministeriums sind auf Mallorca 57 Prozent der Kunden von Hofläden Ausländer und nur gut ein Drittel (36 Prozent) Mallorquiner. Insgesamt hinkt Spanien in der Direktvermarktung von Agrarprodukten weit hinter anderen Ländern der Europäischen Union her. Während im EU-Durchschnitt 15 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe mehr als die Hälfte ihrer Erzeugnisse vor Ort verkaufen, sind es in Spanien nur 0,1 Prozent. Eine Kampagne des balearischen Agrarministeriums soll das jetzt ändern. Sie heißt "Millor de primera mà" (Besser aus erster Hand). Eine Unterscheidung zwischen konventionellem und biologischen Anbau wird nicht gemacht.
17 Fincas machen bislang bei der Kampagne mit. Sie sind zu erkennen an einem großen Schild am Fincaeingang. Darauf steht das Logo der Kampagne: ein grünes Symbol, eine Art umgekehrter Tropfen, darin die weiße Silhouette einer Frucht. Darunter steht: Venta Directa (Direktverkauf). "Das Schild soll die Betriebe mit Hofläden sichtbarer machen", sagt Inmaculada Munar vom balearischen Agrarministerium. "Ab Januar wird es außerdem eine Smartphone-App geben, um diese Betriebe zu lokalisieren. Sie wird eine Suchfunktion haben, um gezielt nach einzelnen Produktgruppen wie Fleisch, Käse oder Gemüse suchen zu können. Außerdem wird es Werbekampagnen in den Medien und Vorträge für Landwirte geben." Der Direktverkauf schone die natürlichen Ressourcen und trage zur Pflege der Landschaft und der landwirtschaftlichen Traditionen bei. Den Bauern helfe sie ihre Fincas zu erhalten, weil ihnen der gesamte Gewinn zugute komme, und den Kunden garantiere sie Frischequalität. Das wolle die Kampagne zeigen.
Mariana Marques von der Finca Bellveure aus Binissalem macht bei der Kampagne mit. Sie hat vor Kurzem einen kleinen Hofladen aufgemacht. Ihr Vater bestellt die Felder und sie verarbeitet die Erzeugnisse zu Marmelade, Honigwein, Konfekt, Honigkerzen, Olivenöl und anderem. Das Schild am Fincaeingang werde bemerkt, freut sich die junge Mallorquinerin. Auch Antoni Feliu von der Biofinca Sa Casa Pagesa in Son Espanyol bei Palma beteiligt sich an der Kampagne. "Werbung ist wichtig. Hoffentlich machen alle Landwirte mit. Der Direktverkauf ist für uns die einzige Möglichkeit fortzubestehen."
Biel Torrens, Präsident der Agrarvereinigung Unió de Pagesos und selbst Biobauer, ist skeptischer. Was nütze ein Schild, wenn sich die Bedingungen nicht änderten? "Die Absicht der Kampagne ist gut, aber was wir brauchen, ist ein förderlicher gesetzlicher Rahmen für die kleinen Agrarproduzenten. Da müssen wir anfangen." Zurzeit gebe es noch keine Ausführungsverordnung des balearischen Agrargesetzes von 2014. "Es kann mir deshalb keiner genau sagen, was ich auf meiner Finca verkaufen darf und was nicht. Dafür ist das Gesundheitsamt zuständig, nicht das Agrarministerium, und die kommen gerne mit Strafen."
Antoni Feliu stimmt Torrens zu: Das Gesundheitsamt sei das große Problem. Es behandele Kleinproduzenten wie multinationale Konzerne. Regeln müssten sein, aber man müsse sie flexibler gestalten. "Es kann nicht sein, dass immer nur kontrolliert wird, man muss uns doch auch helfen, dass wir vorankommen." Eine Idee dafür hat Roger van Roy von Sa Sabata. Er schlägt ein Etikett vor mit der Aufschrift: Dieses Produkt wurde nicht vom Gesundheitsamt kontrolliert. "So könnten wir mehr verarbeitete Produkte anbieten, was wichtig für uns wäre. Die Verantwortung läge beim Verbraucher. Wenn er Vertrauen in den Produzenten hat, wird er kaufen. So würde langjährige gute Arbeit belohnt." Georg Bräutigam wünscht sich eine Lockerung der Auflagen. Um einen Unterstand für seine Geräte zu bauen, müsse er fast so viele Auflagen erfüllen wie für ein Haus.
Die Kunden bekommen von den Problemen wenig mit. Sie freuen sich, dass es die Hofläden gibt, so wie Marguerite Hirschmann aus Andratx: "Es ist ein großes Geschenk, so etwas hier zu haben, alles so frisch und so gut."
ADRESSEN im INTERNET
Die Namen und Adressen der Landwirte, die sich an der Kampagne des balearischen Agrarministeriums beteiligen, finden Sie im Internet unter der Adresse www.vendadirecta.com. Eine Liste von Bio-Hofläden auf Mallorca steht auf der Webseite der balearischen Slow-Food-Bewegung www.slowfoodib.org
(aus MM 1/2017)