Urlauber und Spaziergänger auf Mallorca kommen in Palmas Meeresstadtteil El Molinar unweigerlich an ihrer Statue vorbei. Auf der beliebten Flaniermeile ist dort seit 2019 der Bronzekopf einer lächelnden Frau mit kurzhaariger Frisur zu sehen. Es handelt sich um Aurora Picornell, einer kommunistischen Frauenrechtlerin, die während des Spanischen Bürgerkrieg inhaftiert und im Januar 1937 bei einer Nacht-und-Nebel-Aktion erschossen sowie in einem Massengrab verscharrt worden war.
Jetzt hat die Balearen-Regierung mitgeteilt, dass die sterblichen Überreste der Frau per DNA-Test eindeutig identifiziert worden sind. Seit einigen Jahren schon werden auf Mallorca die in Fragen kommenden Massengräber auf den Friedhöfen von Archäologen und Genetik-Spezialisten geöffnet und untersucht, um Angehörigen die verschleppten und hingerichteten Opfer der franquistischen Diktatur zurückzugeben.
Historiker hatten lange vermutet, dass Aurora Picornell im Massengrab von Porreres zu finden wäre. Fehlanzeige. Erst bei den Grabungen auf dem Friedhof Son Coletes bei Manacor waren im November 2021 fünf Frauenskelette entdeckt worden. Per Gen-Nachweis konnten die Gebeine Aurora Picornell zugeordnet werden. Ihren Bruder und ihren Vater, die ebenfalls von den Franquisten ermordet worden waren, hatte man bereits 2016 in einem Massengrab von Porreres entdeckt und im weiteren Verlauf bestimmen können.
Bei den vier weiteren Frauenskeletten handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Weggefährtinnen von Aurora Picornell. Die Gruppe war vor Ausbruch des Bürgerkrieges bekannt als die „Roten von Molinar“. Die gelernte Schneiderin Picornell selbst wurde von Zeitgenossen auch als die „Pasionaria von Mallorca“ bezeichnet, in Anlehnung an die wortgewaltige spanische Politikerin Dolores Ibárruri, von der die legendär gewordene Kampfparole „No pasarán“, Deutsch: Sie werden nicht durchkommen, stammt.
Die forensischen Untersuchungen des Skeletts von Aurora Picornell haben ergeben, dass die junge Frau durch fünf Schüsse getötet worden war, drei in den Kopf, einer in die Seite. Eine weitere Kugel hatte ein Handgelenk getroffen. Die Grabungsexperten stießen zudem auf einen edlen Füllfederhalter, den Picornell bekanntlich zum 18. Geburtstag erhalten hatte, und mit dem sie unablässig schrieb. Er wurde im Brustbereich der Toten aufgefunden.
Es ist nicht das erste Mal, dass bei Opfern des Spanischen Bürgerkriegs (1936-1939) Füller in den Gräbern gefunden worden sind. Es ist jedoch das erste Mal in Spanien, dass ein solches Schreibutensil bei einer Frau zum Vorschein kam. Auf Mallorca löste dies eine große Anteilnahme und Linkspolitikern aus. Aurora Picornells letzte Worte sollen gelautet haben: „Und mit welchen Kugeln wollt Ihr Ideen töten?
Die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol twitterte: "Aurora Picornell kehrt nach Hause zurück. Man hat sie in Son Coletes gefunden!". Weiter teilte die Sozialistin mit: "Ich habe Gänsehaut. Wegen Dingen wie diesen, wegen Momenten wie diesen, bin ich in der Politik. Unendlich vielen Dank an alle!"