Für die meisten Menschen ist sie wohl ein einfaches Accessoire, für ihn aber eher ein unentbehrlicher Teil seiner Arbeit: die Pilotenbrille. Mit großem Selbstverständnis trägt Reik Seefeld sie, als er zum Gespräch mit der Redakteurin de Mallorca Magazins erscheint. Wenn er nicht im Cockpit sitzt, genießt er sein Frühstück am liebsten an der Playa de Palma. „Hier ist es morgens so herrlich ruhig. Ich schaue zwei Stunden aufs Wasser und genieße die Atmosphäre”, schwärmt er.
Seit 2002 ist der 48-jährige Ost-Berliner Berufspilot, zwei Jahre nach der Ausbildung durfte er sich schon Kapitän nennen. Als er im vergangenen Jahr zufällig die Stellenausschreibung einer großen europäischen Airline für Palma entdeckte, zögerte er nicht und bewarb sich. Seitdem ist er als Kapitän am Flughafen Son Sant Joan stationiert. Auch als Neu-Resident kommt er auf der Insel „immer mehr an”.
Seit gut 20 Jahren ist Reik Seefeld auf Kurz- und Mittelstreckenflügen in Europa und nach Nordafrika unterwegs. Noch immer gehören Flüge nach Mallorca zu seinen liebsten Routen. „Meistens hat man nur glückliche Menschen an Bord, die sich auf ihren Urlaub freuen. Und die Insel ist im Anflug wunderschön.” Hin und wieder gebe es auch Störenfriede unter den Passagieren, die einen über den Durst getrunken haben. „Weil wir in der Luft weniger Sauerstoff im Blut haben, vertragen wir den Alkohol schlechter”, erklärt der Pilot.
„Der Ton hat sich verändert. Viele Fluggäste zeigen immer weniger Respekt, wenn man eine Ansage macht, damit Ruhe einkehrt. Dann müsse er manchmal von seinem Hausrecht als Kapitän Gebrauch machen und „Testosteron-Protze” des Flugzeugs verweisen, noch bevor die Reise losgeht. „Es gibt auch immer wieder Leute, die heimlich auf den Toiletten rauchen. Oder aus Versehen an den Flugzeugtüren rütteln, weil sie diese fürs WC halten.” Eine Geschichte nach der anderen erzählt er mit der typischen „Berliner Schnauze”. „Manchmal verschwinden Paare auf der Bordtoilette. Andere haben Sex in jeder möglichen Form in den Sitzreihen”. Dabei kann er sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Wir als Bordcrew registrieren das immer. Aber wir greifen nur ein, wenn sich jemand beschwert. Schließlich sind wir alle erwachsen.”
Die Pilotenausbildung fuße vor allem auf Physik, Mathematik, Englisch und Psychologie. Es sei wichtig, dass Bewerber „mehrfach belastbare Teamplayer” seien, erklärt Reik Seefeld. „Im Cockpit muss man 70 Sachen gleichzeitig machen. Im Auto sind es nur fünf”, ordnet er ein. Auch das Thema Problemlösung sei von großer Bedeutung an Bord. „Und da sind Frauen die besseren Piloten. Sie gehen anders an Probleme heran und lösen sie besser. Sie nehmen sich fünf Sekunden mehr Zeit, um nachzudenken, und finden dann die schlaueren Wege.” Schon lange sei die Branche keine Männerdomäne mehr.
Auch nach über 20 Jahren Flugpraxis erfordere jeder Arbeitstag maximale Konzentration. „Du kannst dir einfach keine Fehler erlauben. Du musst dich einfach zusammenreißen und darfst nie zu entspannt sein. Jeder Flug hat seinen eigenen Anspruch, dabei ist der Anflug die gefährlichste Phase.” Und wenn der Flieger erst einmal heile in Palma gelandet ist, bleiben nur 25 Minuten zum nächsten Start. Anstatt einer Kaffeepause muss Seefeld dann das komplette Flugzeug auf seine Flugfähigkeit prüfen, um Schäden auszuschließen, es betanken sowie das Einladen der Koffer überwachen und den Wetterbericht aktualisieren.
War der Beruf des Piloten einst prestigeträchtig, habe er heute „total an Glamour verloren”, sagt der Kapitän. Die Branche habe nicht umsonst Nachwuchsprobleme, denn die Anforderungen seien hoch und die Arbeitsbedingungen alles andere als leicht. „Man geht durch eine harte Schule. Du verdienst gut, aber es ist ein familienunfreundliches Business. Auch vom Reisen hast du nichts, du siehst nur Flughäfen – von oben und von innen.”
Für den 48-Jährigen steht es dennoch außer Frage, eine andere berufliche Laufbahn einzuschlagen. Nicht umsonst waren schon die Wände seines Kinderzimmers voller Flugzeug-Poster, auf den Regalen standen zahlreiche selbstgebaute Flieger-Modelle. Als kleines Kind drängte er seinen Opa, jedes Wochenende mit ihm zum Flughafen zu fahren. „Ich würde den Job immer wieder wählen.”