Musik an, Welt aus! Und die Mucke dröhnt – trotzdem beschwert sich niemand. Vorbeigehende Mallorca-Touristen bleiben stehen, manche schmunzeln, andere zücken das Smartphone und filmen das ungewöhnliche Spektakel. Ein paar Autofahrer hupen und schauen amüsiert zu, wie eine Gruppe von zwölf Frauen einfach über die Straße tanzt. Der Clou: Die Musik läuft ausschließlich über Kopfhörer. Für Passanten wirken die begeisterten Hobby-Tänzerinnen wie Teil einer stummen Inszenierung. Die Stimmung: ansteckend positiv. Sobald die heiteren Songs in den Ohren der Teilnehmerinnen erklingen, ist jede Scham vergessen. Was für ein Anblick!
In einer Gruppe britischer Touristinnen trägt jede bereits eine rosafarbene, herzförmige Sonnenbrille. „Zwei Schritte nach vorn, rechtes Bein anwinkeln, wieder runter – und dann eine Bewegung nach Wahl!“, ruft Daniela Küper. Rhythmisch überquert sie bei Grün die vierspurige Fahrbahn am Hafen von Palma. Die anderen folgen ihr.
Getanzt wird mitten auf den Straßen von Palma
Bei der 76-jährigen Shirley ist die „Bewegung nach Wahl“ ein rasanter Hüftschwung Richtung wartender Autofahrer. Die 18-jährige Karen imitiert einen Hasen, zeigt Zähne und hüpft an einem Taxi vorbei. Küper winkt lachend den Beobachtern zu. Nur die leicht schräge, kollektive Gesangseinlage der Liverpoolerinnen ist zu hören. In London hatten sie bereits bei einer „Silent Disco“-Musicaltour vor Theatern getanzt.
Ihr tanzt mitten auf Palmas Straßen? „Ja klar!“, sagt Choreografin Daniela Küper. Sne Mandic, die Gründerin, nickt. „Unsere Aktivität ‚Silent Moves‘ kann über getyourguide.de gebucht werden. Der Ort ist frei wählbar – heute sind wir am Hafen“, erklärt sie und meint den Platz vor dem Lokal „Mar de Nudos“. Von dort führt die Tour über die Avenida Gabriel Roca, vorbei am Paseo Sagrera bis zur Seehandelsbörse La Lotja. Am Lokal Encos Gastronomy findet der erste „Flash-mob“ (eine spontane Tanzaktion) statt. Die fröhliche Gruppe stoppt, um Küpers Anweisungen zu folgen.
Cafébesucher halten inne, schauen vom Kuchen auf zur "Show". Unter den Kopfhörern geben die Gipsy Kings mit dem Song „Cantaaaare, oh oh oh oh, volaaareee …“ den Takt vor – und das britische Sorglospaket legt los. Eine deutsche Touristin schlendert gerade den Paseo entlang, als sie auf die Gruppe trifft. „Ach nee, wie jeil is dat denn!“, ruft sie im kölschen Dialekt und tanzt begeistert mit. Auf der Caféterrasse wird geklatscht, ein Tisch junger Touristinnen mit Krönchen schunkelt zum kuriosen Gesang.
Selbst drei Kellner auf der Plaça sa Drassana legen eine temperamentvolle Tanzeinlage hin. Dann groovt die Truppe durch die Altstadtgasse Carrer de Jaume Ferrer zurück zum Startpunkt. Shirley, die Älteste, reißt im Dancemove die Arme hoch, Freundin Jeanne (65) folgt – beide strahlen in die Kamera der MM-Reporterin. „Das ist pure Lebensfreude.“