Die Altstadt von Palma de Mallorca ist gefragt. Das kommt nicht nur neuen Boutique-Hotels zugute, sondern weckt offenbar auch die Gier von bestimmten Privatleuten. Medienberichten zufolge wurden auf dem Urlaubsportal Airbnb jetzt sogar Unterkünfte aus dem sozial geförderten Wohnungsbau für 150 Euro pro Nacht zur illegalen Ferienvermietung angeboten.
Während viele einheimische Familien urplötzlich unter 700 bis 800 Euro Kaltmiete keine Wohnung mehr finden und den Schuldigen dafür eindeutig im Tourismus ausmachen, hinterfragen zwei Wissenschaftler der hiesigen Universität in einer Studie "Mythen und Realität der Ferienvermietung auf den Balearen". Auf Grundlage sogenannter "AirDNA"-Daten des Vermittlungsportals Airbnb kommen sie zum Ergebnis, dass eine Langzeitvermietung im Grunde viel rentabler ist als wochenweise im Stil einer Herberge zu agieren. Selbst im August sei nur jede zweite bei Airbnb angebotene Wohnung vermietet. Die Immobilien seien in der Hochsaison im Schnitt nur 58 Tage bewohnt, es handle sich deshalb nicht unbedingt um ein Geschäft, mit dem man viel Geld verdienen könne, ohne einen Finger krumm zu machen, glauben die Autoren José Luis Groizard und William Nilsson.
Von Mai bis September betragen die Einnahmen in Palma pro Unterkunft im Schnitt 6457 Euro und somit weniger als bei einer normalen Vermietung. "Wenn man bedenkt, dass klassische Mieteinnahmen zu 60 Prozent steuerfrei sind und die Ferienvermietung nicht, dann wird der Unterschied noch deutlicher", sagt Groizard im MM-Gespräch. Verzerrt werde die Statistik allerdings durch Gebiete wie Santa Catalina oder die Altstadt, wo die Auslastung bis zu 100 Prozent betragen könne, während viele Außenbezirke kaum gefragt seien.
Alternativ zu Verboten und Kontingenten empfiehlt Prof. Dr. Groizard eher eine Legalisierung des bisherigen Grau- und Schwarzmarkts sowie eine Erhöhung der Touristenabgabe Ecotasa. "Würde man im Sommer zum Beispiel zehn Euro pro Übernachtung verlangen, könnte sich der Markt von alleine regeln. Angebot und Nachfrage würden sich auf wenige touristisch interessante Bereiche konzentrieren, und die Einteilung der Gemeinden in Zonen wäre überflüssig", so der Experte für angewandte Wirtschaftswissenschaften.
Statt Airbnb als Feind zu sehen, rät er dazu, das Portal zur Erhebung der Gebühren zu verpflichten und damit auch noch Verwaltungskosten zu sparen, wie es in Amsterdam und anderen Städten bereits üblich ist. Ein paar Nebeneinnahmen seien den einheimischen Familien und Immobilienbesitzern doch zu gönnen, so sein Fazit.
Dass seine Studie nur eine Teilaufnahme der Wirklichkeit ist, räumt Ökonom Groizard durchaus ein. "Airbnb hat in Palma eine dominierende Position, kommt auf den Balearen insgesamt aber nur auf etwa 34 Prozent Marktanteil. Die Vermietung von Fincas und Einfamilienhäusern auf dem Land ist von uns kaum erfasst", gibt Groizard zu. Kommt er für die Sommermonate auf direkte Airbnb-Umsätze von 60 Millionen Euro, so beträgt die Zahl für das Gesamtjahr etwa 115 Millionen Euro, geht aus einer Mitteilung des Unternehmens hervor. Mit allen Nebenausgaben für den Urlaub würden die Gäste auf diese Art 551 Millionen Euro auf den Inseln lassen, heißt es.
Dass die Ferienvermietung sehr wohl etwas mit dem zweistelligen prozentualen Mietpreisanstieg auf Mallorca zu tun haben könnte, ist unterdessen das Ergebnis einer andere Studie, die das Immobilienportal Fotocasa spanienweit durchgeführt hat. 52 Prozent der befragten Eigentümer glauben demzufolge, dass sie durch Ferienvermietung eine um mindestens zehn bis 20 Prozent höhere Rendite erzielen können als auf andere Art. 32 Prozent gehen immerhin von fünf bis zehn Prozent Mehreinnahmen aus.
Möglicherweise eine Erklärung dafür, dass sich allein bei Airbnb die Zahl der zu vermietenden Balearen-Unterkünfte 2016 nahezu verdoppelt hat. Gingen die Professoren Groizard und Nilsson noch von 12.000 Objekten aus, ist in der aktuellen Unternehmensmitteilung bereits von 24.000 die Rede.
Sollte es sich um reale Angebote handeln, könnten auf dem Mietmarkt also Tausende von Wohnungen fehlen.
(aus MM 19/2017)