Die Lage war wohl noch nie so ernst: Weil Wohnraum auf Mallorca immer knapper wird, müssen viele Mieter um ihr Zuhause zittern. Wer schon aus einer Wohnung geflogen ist oder erst gar keine bekommt, muss sich irgendwie dennoch durchschlagen, um die Insel nicht verlassen zu müssen – ob in Zelten, feuchten Bretterverschlägen, Wohnmobilen oder besetzten Gebäuden.
Schon 37 Elendssiedlungen
Neuesten Statistiken zufolge gibt es in und an den Rändern von Palma bereits 37 illegale Siedlungen, die vorwiegend aus Bretterverschlägen bestehen. Das ist sage und schreibe dreimal so viel wie noch vor wenigen Jahren.
Einige dieser Elendssiedlungen liegen an schwer einsehbaren Stellen etwa unter Brücken der Ringautobahn „vía de cintura”, andere sind für jedermann sichtbar. Eine andere Gegend, wo sich gleich mehrere solcher Verschlag-Ansammlungen ballen, ist die Umgebung des zentralen Friedhofs am Camí de Jesús, etwa das Ufer des Riera-Sturzbachs. Anwohner befürchten, dass sich sozial Benachteiligte bald im angrenzenden großen Parc de Sa Riera breitmachen könnten.
Auch rund um den vielbesuchten Flughafen der Insel Son Sant Joan sind Armensiedlungen entstanden, etwa auf einem ehemaligen Fußballplatz des Meeresviertels Can Pastilla und auf einigen Brachflächen in jener Gegend. Im Flughafen selbst halten sich Obdachlose ebenfalls auf. Nachdem sie aus einem Durchgang zwischen Parkhaus und dem Hauptterminal verschwunden waren, tauchten sie unlängst an anderen Stellen des geheizten Gebäudekomplexes wieder auf. Einige mischen sich Tag für Tag unter die Passagiere, um nicht aufzufallen.
In den 37 Siedlungen leben etwa 1000 Menschen, die sich eine Wohnung angesichts der stark gestiegenen Mieten nicht leisten können. Die sanitären Zustände sind unbeschreiblich und ähneln bereits denen in südamerikanischen Millionenmetropolen.
Neben Verschlägen oder Zelten werden auch zunehmend Campmobile als Ersatzunterkünft genutzt. Die will Palmas Bürgermeister Jaime Martinez jedoch aus der Stadt haben, weswegen er ein Gesetz ersonnen hat, das ein Leben in Wohnwagen verbietet. Am Samstagabend fand eine Protestaktion statt: Mehr als 200 Wohnwagen kamen zu einem sogenannten „langsamen Marsch”.
Die Karawane startete im Viertel Llevant im Carrer Camp de Déu und zog sich durch das gesamte Zentrum der Innenstadt. Vereinigungen wie die „Oasis Caravaning Association” und die „Autonomous Motorhome Platform” hatten aufgerufen, sich zu wehren.
Erneut Hotel besetzt
Angesichts der angespannten Lage werden auch vermehrt Gebäude besetzt: Nach der Besetzungsaktion im Aparthotel Sol i Mar in Cala Bona ist bekannt geworden, dass sogenannte Okupas eine weitere Touristen-Herberge besetzt halten. Es handelt sich um ein Gebäude einer Anlage namens Bellevue in Port d’Alcúdia, das Neptuno II. Dieses befindet sich an dem größeren See namens Es Llac Gran hinter dem Strand.
Nach Informationen der MM-Schwesterzeitung „Ultima Hora” hatten sich dort vor einigen Wochen Einzelpersonen und ganze Familien mit Kindern niedergelassen. Insgesamt handelt es sich um mehr als 50 Menschen. Der gesamte Bellevue-Komplex umfasst mehrere Gebäude mit 1468 Zimmern und Apartments auf 250.000 Quadratmetern. Er verfügt über elf Pools.
Rentner unter Druck gesetzt
Die Anspannung ist so groß, dass Mieter mitunter auf ungerechteste Weise behandelt werden: Vor einigen Tagen wurde ein besonders erschütternder Fall bekannt. Einem Rentnerpaar droht nach fast 50 Jahren in der selben Mietwohnung in Palma die Zwangsräumung. Ihre Miete hätten sie immer pünktlich gezahlt und die Räumung der Wohnung im Meeresviertel El Molinar sei zudem nicht angekündigt gewesen, zitierte „Ultima Hora” die Senioren.
Am vergangenen Dienstag bekamen die rührigen Palmesaner den Schreck ihres Lebens. Jemand rief den Pförtner an, und auf der Straße standen ein Gerichtsvollzieher, ein Schlüsseldienst, der Hausbesitzer und zwei Pkw der Nationalpolizei. Fernando Ortega und Magdalena Aranda sollten aus ihrer Wohnung vertrieben werden, das sie so lange bewohnt hatten. Sie hätten überhaupt keine Vorankündigung erhalten, äußerten sie. Und damit nicht genug: „Man sagte, der Vertrag sei gekündigt worden, weil ich, die Mieterin, tot sei“, so Rentnerin Aranda. Am Ende konnte der Rauswurf vorerst verhindert werden.