Gut Ding will Weile haben, oder wie die Mallorquiner kurz und bündig sagen: Poc a poc. Die Gemeinde Felanitx hat ihren Sohn Guillem Sagrera 559 Jahre nach seinem Tod zu ihrem Ehrenbürger ernannt. Sagrera, der um 1380 in Felanitx geboren wurde, war einer der bedeutendsten Baumeister und Bildhauer der Gotik im Mittelmeerraum.
Auch auf Mallorca hat er seine Spuren hinterlassen. Die Lonja in Palma, eines der schönsten weltlichen Bauwerke der Gotik, trägt ebenso seine Handschrift wie der Kapitelsaal und das Südportal der Kathedrale.
13 Jahre lang lernte Sagrera von seinem Vater das Handwerk des Steinmetzes, ehe er 1410 nach Perpignan ging. Schon sechs Jahre später wurde er zum Baumeister ernannt, um die auf Eis gelegten Arbeiten an der Kathedrale Saint-Jean-Baptiste wieder anzukurbeln. Doch es sollte 16 Jahr dauern, bis der Bau tatsächlich fortgesetzt werden konnte.
Dass Sagrera die Insel verließ und nach Perpignan ging, sei damals nicht Ungewöhnliches gewesen, sagt der Historiker und Autor Tomàs Vibot, der Anfang April das Buch "De la pedra al cisell" (Vom Stein zum Meißel) über Sagrera veröffentlicht hat. "Man ging damals dorthin, wo es Nachfrage gab, und innerhalb des Reiches der Krone von Aragón gab es viele Möglichkeiten", erklärt er.
Nur, woher erfuhr man ihn Zeiten ohne Medien und Internet, wo Arbeit in der Ferne gesucht wurde? Das Informationsnetz funktionierte von Mund zu Mund und durch Volkes Stimme, erklärt Vibot. Wenn irgendwo versierte Künstler oder Handwerker benötigt wurden, teilte man sich dies gegenseitig mit.
Sagrera war so ein versierter Meister. 1420 kehrte er nach Mallorca zurück und ließ sich in Palma nieder. Diesmal, um die Bauarbeiten an der Kathedrale zu leiten. Unter ihm entstanden der gotische Kapitelsaal und die Sankt-Wilhelm-Kapelle, die heute Sankt Anton von Padua geweiht ist. Auch als Bildhauer verewigte sich Sagrera: Von ihm stammen die Figuren der Apostel Paulus und Petrus am Südeingang, der zum Meer hinzeigt.
1426 machte sich Sagrera schließlich daran, sein bedeutendstes Werk auf Mallorca zu bauen: die Lonja in Palma. Die Zunft der Kaufleute hatte ihn beauftragt, eine Seehandelsbörse zu bauen, ein Gebäude, das gewissermaßen als mallorquinische Wallstreet dienen sollte. Es ist zugleich der erste bekannte Fall, bei dem ein Baumeister sowohl für die Planung als auch für die Ausführung verantwortlich zeichnete. So nimmt es nicht Wunder, wenn Tomàs Vibot sagt: "Die Lonja ist Sagreras persönlichstes Werk."
Dieses Werk war allerdings mit Licht und Schatten durchsetzt. Die Eleganz des Gebäudes stand im Gegensatz zu dem Gerichtsstreit zwischen Baumeister und Auftraggeber, bei dem es ums Geld und die Fertigstellung ging. Erst knapp 100 Jahre nach seinem Tod konnten die Arbeiten beendet werden.
Sagrera war gleichwohl zu Lebzeiten schon ein berühmter Mann, der von König Alfons V. von Aragón nach Neapel berufen wurde, um dort Reformen am Castel Nuovo vorzunehmen. Dort blieb Sagrera bis zu seinem Tod im Jahr 1456.
Dass Sagrera erst jetzt zum Ehrenbürger von Felanitx ernannt wurde, ist ein weiteres Kuriosum. Schon Anfang des 19. Jahrhunderts habe er als eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Insel gegolten, sagt Vibot und fügt hinzu: "Die Mallorquiner sind eben so."
(aus MM 16/2015)