Es ist kurz nach neun und noch frisch an diesem Morgen auf Mallorca. Auf dem hinteren Teil eines Parkplatzes in Port de Sóller sind strahlend weiße Wohnmobile ordentlich nebeneinander abgestellt. Davor stehen unter Sonnenzelten Tische und Sitzbänke, an einem sitzen eine Frau und eine Handvoll Männer in Guardia-Civil-Uniform. Dass sie keine echten Polizisten sind, wird schnell klar. Denn an einem roten Catering-Van stehen zwei Personen, die in Deutschland bestens bekannt sind: Die Schauspieler Petra Schmidt-Schaller und Felix Klare ziehen sich dort gerade einen Kaffee.
Noch bis zum 8. November dreht das ZDF an verschiedenen Orten der Insel einen Zweiteiler mit dem Arbeitstitel „Lillys Verschwinden”. Die Besetzung ist hochkarätig: Vor der Kamera stehen die Schauspieler Heino Ferch, Jessica Schwarz, Felix Klare, Petra Schmidt-Schaller, Natalia Wörner, auch Regula Grauwiller und Andreas Lust, Barbara Focke, Marek Erhardt und Miriam Maertens.
Unter der Regie von Thomas Berger, der auch das Drehbuch geschrieben hat, entsteht für das ZDF ein Film, der Drama und Krimi ist: Eines Abends verschwindet die fünfjährige Lilly (Minou Troll) aus einem Ferienapartment auf Mallorca. Panisch vor Angst informieren ihre Eltern, Anna und Robert Bischoff (Jessica Schwarz und Heino Ferch), die örtliche Polizei, die vergeblich nach dem Mädchen sucht. Auch Hinweise aus der Bevölkerung bringen keinen Erfolg; mögliche Tatverdächtige müssen aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen werden.
Plötzlich geraten Lillys Eltern selbst unter Verdacht. Die junge Kommissarin der spanischen Polizei, Isabell Navarro (Mona Pirzad), hat Hinweise gesammelt, die Anna Bischoff schwer belasten. Die Ermittlungen fokussieren sich nun auf die verzweifelten Eltern, Indizien drohen den endgültigen Beweis für ihre Schuld zu erbringen. Anna und Robert flüchten von Mallorca zurück nach Deutschland, das verschwundene Kind wird zur schweren Belastung für die Familie.
Dann weist auf einmal eine neue Spur auf einen Verdächtigen hin. Die Bischoffs kehren heimlich auf die Ferieninsel zurück. Sie versuchen, den Entführer Lillys aufzuspüren, bevor die spanische Polizei sie endgültig verhaftet.
Schnitt. Heino Ferch hat sich für ein kurzes Interview mit MM an einen der Tische gesetzt. Vor ihm dampft der Kaffee im Becher. An diesem Tag ist er schon ein paar Stunden auf den Beinen. Bereits um 5.40 Uhr wurden er und seine Kollegen aus dem Hotel in Palma abgeholt zum Set gebracht.
Heino Ferch und Regisseur Thomas Berger sind das, was man unter einem eingespielten Team versteht. Für das ZDF haben sie zusammen die vier Zweiteiler der Krimi-Reihe „Nordholm” gedreht, ebenso vier Allmen-Krimis für die ARD und ein paar Filme mehr. „Am Ende der gerade laufenden Dreharbeiten werden wir unseren 300. gemeinsamen Drehtag erleben”, verrät Ferch und erzählt, wie sich das auf die gemeinsame Arbeit auswirkt. „Ich weiß wie er tickt, wie er sich den Tag vorstellt, wie er in eine Szene reingeht, und das weiß er umgekehrt genauso von mir. Er weiß wann ich zufrieden bin, und wenn er nach einem Take Danke sagt, höre ich an seinem Ton, ob er zufrieden ist. Das ist eine Zusammenarbeit, die durch die große Vertrautheit sehr angenehm ist.”
Kaum ist das Interview beendet, wird zum Aufbruch an die nahegelegene Strandpromenade von Port de Sóller getrommelt: Die nächste Szene soll gedreht werden. Alles ist bereit, Kamera, Ton, auch die Statisten sind eingerichtet, wie es im Filmjargon heißt. Der Komparsenführer hat sie auf ihre Plätze eingewiesen und ihnen erklärt wohin sie laufen müssen, wenn das Rufzeichen „Figuración” gegeben wird.
Und schon ertönt der Ruf, quasi zusammen mit einem „Acción”, das in diesem Fall Jessica Schwarz gilt. In langen Schritten eilt sie von einer Pizzeria an die Mauer der Strandpromenade. Nur wenige Sekunden dauert der Take. Dann ist für den Zaungast wieder Pause. Doch der Eindruck täuscht. „Die Requisiteure bereiten schon die nächste Szene vor, die Beleuchter leuchten vor, die Kostümabteilung muss gucken, ob alle Schauspieler das Richtige anhaben, und ob die Kleidung sitzt. Also alle haben etwas zu tun”, erklärt Birgit Hoefke. Die Freelancerin ist für die Network Movie Film- und Fernsehproduktion in Hamburg die Koordinatorin vor Ort für den Dreh auf Mallorca. Und sie nennt ein weiteres Beispiel, der einem normalsterblichen Fernsehzuschauer kaum bekannt sein dürfte: den Continuity. Gemeint ist der Regie-Mitarbeiter, der akribisch über sämtliche Einstellungen Buch führt sowie vor und während des Drehs auf Unstimmigkeiten in Handlung, Text, Spielverlauf achten muss. Entsprechend detailliert müsse er das Drehbuch kennen, erklärt Hoefke.
Inzwischen haben sich die Filmeltern Jessica Schwarz und Heino Ferch sowie Petra Schmidt-Schaller und Felix Klare, die ein befreundetes Hamburger Paar spielen, um Thomas Berger versammelt, der Regieanweisungen gibt. Dann heißt es „We are ready for cast”, will heißen: Alles ist eingerichtet. Noch einmal prüfen Mitarbeiter der Kostümabteilung, ob alle Kleidung sitzt, die Maske schaut, ob Puder und Haare in Ordnung sind, dann ertönen erneut die Rufe „Figuración” und „Acción”. Die Darsteller und Komparsen setzen sich in Bewegung, während Mitarbeiter am Set Passanten und Autos den Durchgang verwehren – bis ein „Cut” signalisiert: Es darf sich wieder bewegt werden.
Gedreht wird an diesem Morgen der Anfang der Geschichte, obwohl die Dreharbeiten auf Mallorca schon Anfang September begonnen haben. Weil die Szenen aber nach Motiven abgedreht werden, müssen Crew und Schauspieler kreuz und quer durch die beiden Drehbücher des Zweiteilers springen. „Da braucht man einen Regisseur, der einen guten Überblick hat, und Thomas Berger macht das wirklich fantastisch”, sagt Jessica Schwarz. „Man merkt einfach die Erfahrung und auch die Liebe und die Leidenschaft zu dieser Thematik, zu der Tiefe in den verschiedenen Personen. Ich finde es ganz wunderbar, mit ihm zu drehen.”
Inzwischen ist es Mittag geworden, Crew und Schauspieler begeben sich zum Essen an den Cateringbus. Bevor sie sich ebenfalls stärkt, erzählt Jessica Schwarz, wie sie sich in die Rolle der Mutter eines verschwundenen Kindes versetzt: „Bei mir muss das richtig emotional entstehen. Das heißt, man geht durch Themen, die einen berührt haben, noch einmal durch. Du gibst deinem Körper und deinem Geist die Nachricht, es ist etwas ganz Schlimmes passiert. Da man merkt natürlich, dass viele Stresshormone unterwegs sind, und es ist viel Gegenarbeit nötig. Ich meditiere morgens, und am Abend versuche ich Yoga und Streching, tatsächlich auch ein bisschen Lachübungen zu machen, weil ich es irgendwie wieder abschütteln muss, damit ich nicht komplett deprimiert ins Bett gehe. Also, ich bin schon ziemlich drin.”
Noch knapp einen Monat dauern die Dreharbeiten auf Mallorca. Bis der Zweiteiler allerdings im ZDF zu sehen ist, wird noch eine ganze Zeit ins Land gehen. Ausstrahlungstermin ist voraussichtlich der Winter 2024/2025. Bis dahin werden alle Darsteller in anderen Produktionen zu sehen sein, Felix Klare sogar schon in wenigen Tagen: Er ist der Protagonist des Missbrauchsdramas „Wir haben einen Deal”, der am 20. Oktober auf Arte und am 23. Oktober im ZDF läuft, jeweils um 20.15 Uhr.