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Nazis, ein Goldschatz, der Papst und Mallorca: Ein Thriller macht die Insel "zum Brennglas", so der Autor

Christian Sünderwald ist Fotograf und Essayist. Jetzt hat er einen 600 Seiten zählenden Kriminalroman veröffentlicht. Inspiration dazu fand er auch in seiner eigenen Hochzeit auf dem Eiland. MM sprach mit dem Autor

Ausschnitt aus dem Buchcover des Thrillers "Die Spur der Ratten von Christian Sünderwald | Foto: Christian Sünderwald

| Mallorca |

Mallorca Magazin: Herr Sünderwald, Ihr Roman "Die Spur der Ratten" führt die Leser wie in einem Hollywood-Thriller mit vielen Wendungen von Leipzig um die halbe Welt bis in die erdachten Katakomben der Kirche Sant Blai bei Campos. Warum steigt das Finale gerade hier auf der Insel?
Christian Sünderwald: Zunächst weil Mallorca historisch weit mehr ist als Sonne, Strand und Meer. Die einsam gelegene, fast 800 Jahre alte Kirche bot die perfekte Bühne für den Showdown meiner Geschichte. In den über die Jahrhunderte in Vergessenheit geratenen Katakomben lasse ich zwei alte Geheimorganisationen, die unterschiedlicher nicht sein können, aufeinandertreffen.

MM: Katakomben unter der Kirche von Sant Blai?
Sünderwald: Die Katakomben habe ich mir ausgedacht, aber wer weiß, vielleicht gibt es sie ja doch, als unbekannten Teil der sehr wohl nahegelegenen Grabanlagen aus talayotischer Zeit.

MM: Mit "Rattenroute" oder auch "Rattenlinie" bezeichnen Historiker nach dem Untergang des "Dritten Reichs" den Fluchtweg von Nazis über Spanien nach Lateinamerika. Stützt sich Ihre Geschichte auf historische Fakten, und wenn ja, in welchem Umfang?
Sünderwald: Die vorkommenden Institutionen, Unternehmen und Organisationen sind großteils real und die Ereignisse finden an authentischen Orten statt. Die Figuren und Begebenheiten sind wiederum großteils frei erfunden, auch wenn sie sich eben im Kontext historischer Ereignisse und Schauplätze bewegen.

MM: In den letzten Kapiteln reist sogar der Papst inkognito auf die Insel. Ist das nicht ein bisschen "too much"? Was hat Sie an dieser Konstellation gereizt?
Sünderwald: Die Vorstellung, dass der Pontifex unbeobachtet auf Mallorca eintrifft, schafft maximale dramaturgische Fallhöhe: höchste geistliche Autorität trifft auf ungesühnte dunkle Geschichte. Mehr möchte ich an dieser Stelle aber nicht verraten.

MM: Ihr Protagonist Ulrich Faßmann ist ein Selfmade-Millionär, wie man sie heute aus den digitalen Startup-Branchen kennt. Er taucht nicht nur - per U-Boot - nach versunkenen Schätzen, sondern ist auch auf der Suche nach Sinn in seinem Leben. Wie sind Sie auf diese Figur gekommen?
Sünderwald: Ich wollte bewusst einen Charakter, der den Luxus kennt, aber gerade deswegen nach Sinn sucht. Ein Mann mit einem Kindheitstrauma, der glaubt, dass Geld alles richtet, bis ihn die Wahrheit zur Verantwortung zwingt. Inspiriert haben mich dazu auch Begegnungen mit ähnlichen Menschen aus meinem Leben.

MM: Warum spielt die Handlung im Jahre 2012 und nicht in der Jetztzeit?
Sünderwald: 2012 war mehr oder weniger das letzte Jahr, in dem die Welt noch glaubte, digitale Transparenz mache alle Geheimnisse sichtbar. Mein Roman zeigt, wie viel im Schatten bleiben kann - sogar im Internetzeitalter.

Vor 18 Jahren auf Mallorca geheiratet

MM: Wie viel Recherche steckt in Ihren Mallorca-Szenen?
Sünderwald: Zunächst jede Menge Fußmärsche. Ich war viel in und um Campos unterwegs und habe mit Einheimischen gesprochen. Zu der kleinen Església de Sant Blai habe ich außerdem ein ganz besonderes Verhältnis: Dort habe ich meine Frau vor über 18 Jahren geheiratet.

Christian und Nicole Sünderwald am Tag ihrer Hochzeit in Puerto Portals. Foto: privat

MM: In Ihrem Buch verknüpfen die Stränge den Vatikan, eine geheime Organisation von Alt-Nazis und deren Nachfolgern, einen geheimnisvollen roten Koffer voller brisanter Beweise, und dann noch - hier auf der Insel - einen uralten Schatz miteinander. Ist das vielleicht nicht ein Thema zu viel?
Sünderwald: Im Gegenteil. Mallorca funktioniert als Brennglas: Alles, was global eskaliert, läuft hier zusammen. Auf wenigen Quadratkilometern werden Schuld und Erlösung plötzlich greifbar.

MM: Sie veröffentlichen regelmäßig Essays in MM. Hat das Schreiben der Kolumnen Ihren Romanstil beeinflusst?
Sünderwald: Absolut. 3000-Zeichen-Kolumnen zwingen den Autoren, äußerst sparsam mit den Worten umzugehen und schnell auf den Punkt zu kommen. Dieses Prinzip wollte ich auch in diesem Thriller behalten - kurze Kapitel, schnelle Schnitte, keine unnötigen Füllwörter.

MM: Welches Echo erhoffen Sie sich von Ihren Leserinnen und Lesern auf Mallorca?
Sünderwald: Dass sie ihre Insel mal aus einer ganz anderen Perspektive sehen. Vielleicht fahren sie dann ja auch nach Sant Blai, machen einen ausgedehnten Spaziergang und fragen sich, welche Geschichte unter ihren Füßen schlummert.

MM: Ihr persönlicher Lieblingsort hier?
Sünderwald: Den gibt es nicht. Zu vielfältig ist die Insel für einen klaren Favoriten. Meine Frau und ich genießen Mallorca im wahrsten Wortsinn im Ganzen.

Der Kriminalroman "Die Spur der Ratten" erschien Ende 2024 bei Edition WinterWork. (Paperback, 598 Seiten, 19 Euro, ISBN: 978-3989131231).

MM: Und woran schreiben Sie gerade?
Sünderwald: An einer Geschichte, die sich mit den dunklen Machenschaften der Pharmaindustrie beschäftigt. Und ansonsten (lacht) am nächsten Essay für MM!
Die Fragen stellte Alexander Sepasgosarian.

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