Zwei Tage nach seiner Festnahme auf Mallorca am 23. Juli 2013 sprach Frank Hanebuth noch scherzhaft von „Urlaubsverlängerung". Dass er sich ein Jahr später immer noch unfreiwillig in Spanien aufhalten würde, haben der Rockerboss und seine Anwälte damals wohl nicht geahnt.
Mittlerweile sind seit der „Operation Casablanca" exakt zwölf Monate vergangen, doch rund 20 Beschuldigte befinden sich immer noch in Haft. Unter ihnen auch Hanebuth, der mittlerweile in einem Hochsicherheitstrakt der Haftanstalt Puerto de Santa Maria bei Cádiz einsitzt, nachdem die Rocker im Oktober aus Sicherheitsgründen auf verschiedene Gefängnisse auf dem Festland verteilt worden waren.
Möglicherweise handelt es sich für die nun in alle Winde zerstreute Gruppe erst um den Anfang eines weitaus längeren Südeuropa-Aufenthalts. Denn bis zu vier Jahre Untersuchungshaft sind in Spanien möglich, sagen Juristen. Erst nach zwei Jahren muss ein Richter nochmals formal über die Verlängerung entscheiden. In der Zwischenzeit können zwar Haftprüfungen beantragt werden – im Fall von Hanebuth und Konsorten allerdings bisher zumeist erfolglos.
Zwei Beteiligte sind jedoch vor einigen Wochen gegen Kaution auf freien Fuß gekommen. „Laut Beweislage handelt es sich um minderschwer Belastete", sagt Javier Valero Alcántara von der Pressestelle des Nationalen Gerichtshofs in Madrid, der in Fällen der grenzüberschreitenden Kriminalität automatisch für das Verfahren zuständig ist. Einen konkreten Zeitpunkt für die Anklageerhebung konnte Valero auf MM-Anfrage nicht nennen. Allein aus verfahrenstechnischen Gründen müsse man sich aber sicher noch bis 2015 gedulden.
Im Raum stehen schwere Vorwürfe wie Drogengeschäfte, Zuhälterei und Menschenhandel, Geldwäsche und Erpressung. Auf 15.000 Seiten ist in Abhörprotokollen akribisch dokumentiert, wie die Rocker und deren Umfeld aus dem Bereich der grauen Geldanlage und des Kapitalanlagebetrugs bei ihren dunklen Geschäften vorgingen. Es ging unter anderem um dubiose Baum-Plantagen, Aktien von Karibik-Firmen, Beteiligungen im Hotel- und Vergnügungsgewerbe und sogar um Investments im Rotlicht-Milieu und Rennsport. Einerseits sollen die Hells Angels Anleger geködert haben, andererseits aber auch konkurrierende Finanzhaie erpresst und attackiert haben, wenn deren „Kunden" durch Spekulation oder Unterschlagung Geld verloren hatten.
Zu den dicksten Fischen im Netz zählen die Behörden die Gebrüder Khalil und Abdelghani Y. aus Frankfurt am Main. Während Khalil mit seinem deutschen Pass unbehelligt auf Mallorca agieren konnte, hatte sein Bruder anscheinend Probleme mit der Aufenthaltsgenehmigung. Was ihn nicht daran hinderte, mehr oder weniger offen eine Kampfsportschule zu betreiben. Laut den Polizeiakten wurde er bereits mit 17 wegen Zuhälterei verurteilt und aus Deutschland ausgewiesen. Stattdessen zog er nach Spanien und soll als rechte Hand des mutmaßlichen Drahtziehers Khalil unter anderem dabei mitgeholfen haben, Prostituierte in Hundekäfige zu sperren und zu Schönheitsoperationen zu zwingen.
Die Rede ist auch von groß angelegten Geldwäschegeschäften im Zusammenhang mit dem internationalen Waffenhandel. Laut diversen Protokollen und Lieferscheinen in den Untersuchungsakten ließen die Hells Angels im Auftrag eines iranischen Geschäftsmanns offenbar 500 Millionen Euro in bar auf Paletten mit Hilfe einer Airline von Indonesien in die Türkei transportieren. Eine geplante Weiterleitung in die Schweiz, wo die Lieferung in einem Zollfreilager aufbewahrt werden sollte, scheiterte angeblich an Problemen mit den Papieren. Das Geld wurde von der Türkei beschlagnahmt, heißt es. Mysteriöserweise allerdings ohne dass dazu jemals etwas Genaueres in der Öffentlichkeit bekannt wurde.
Im Visier der Fahnder ist darüber hinaus Paul E., auch „Thrombose-Paul" genannt, mit dem Hanebuth die mutmaßlich über Strohmänner erworbene Finca „Son Paraiso" in Lloret de Vistalegre teilte. Die frühere Frankfurter Zuhälter-Größe soll als Bindeglied zwischen den Hells Angels auf Mallorca und dem Milieu in Deutschland fungiert haben, um ins Geschäft mit deutschen Bordellbetreibern zu kommen.
Inwieweit alle Beteiligten pauschal nach dem in Spanien existierenden Straftatbestand „Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung" zu verurteilen sind, werden die Richter noch zu entscheiden haben. Frank Hanebuth selbst ist zwar auf 200 der 15.000 Protokoll-Seiten identifizierbar, wird allerdings meist nur von Dritten als Mann im Hintergrund genannt, der zu bestimmten Vorgängen angeblich sein Einverständnis geben musste.
Ansonsten gehen die Dinge im Umfeld der Hells Angels übrigens weitgehend wieder ihren normalen Gang: Den ehemaligen Rockertreff „Casablanca" an der Playa de Palma (Namensgeber für die Razzia) gibt es nach wie vor. Und auch durch die Ermittlungen bekannt gewordene Bordelle haben weiter geöffnet – etwa das „Globo Rojo" in Palmas Osten, der „Club 97" im Stadtteil El Terreno und das ehemalige „Red Palace" im Carrer Misió de San Diego an der Playa de Palma, das nun unter dem Namen „Obsessions" firmiert. Hells-Angels-Vertrauensleute – unter ihnen auch Lebenspartnerinnen von Beschuldigten – sollen die Geschäfte weiterführen. In den Häusern entstandene Video-Aufnahmen wurden in der Vergangenheit mutmaßlich auch zur Erpressung von Mallorca-Residenten verwendet.