Magaluf in einer Sommernacht. Während in Mallorcas berüchtigter Ausgehzone von Punta Ballena die Party noch läuft, versammelt sich eine Gruppe Jugendlicher auf dem Balkon ihres Hotels, um noch einen Absacker zu trinken. Schon mancher dieser Abende hat für einen jungen britischen Urlauber in der Touristenhochburg ein tragisches Ende gefunden. Denn neben seinen Partyexzessen ist Magaluf auch für das sogenannte Balconing bekannt.
Auf Mallorca starben in diesem Jahr bereits sechs Menschen aus dem Vereinigten Königreich bei Stürzen von Balkonen, im Vorjahr gab es acht solcher tödlichen Unfälle. Die Zahlen teilte die britische Botschaft aus Madrid auf MM-Anfrage mit. "Ich fordere Urlauber auf, auf Balkonen besondere Vorsicht walten zu lassen", sagt Generalkonsul Andrew Gwatkin dazu.
Der mallorquinische Hotelverband hat sich mit dem Thema Balconing unterdessen noch nicht beschäftigt. "Wir geben keine Empfehlung aus", so die Pressestelle, die Hoteliers müssen sich an die baulichen Vorschriften halten. So müssen hiesige Balkonbrüstungen 1,10 Meter hoch sein, doch gerade bei Neubauten oder Sanierungen würden die Geländer erhöht.
"Man muss zwischen Unfällen unterscheiden, bei denen jemand vom Balkon fällt, und dem echten Balconing", erklärt Humphrey Carter, stellvertretender Chefredakteur beim Majorca Daily Bulletin. Bei den Unfällen spielen häufig Alkohol und Drogen eine Rolle. Die jungen Leute setzten sich beispielsweise betrunken auf das Balkongeländer und rutschten ab. Das passiere dann um vier oder fünf Uhr morgens. "Die kehren dann im Sarg nach Hause zurück - das ist äußerst tragisch." Prävention sei schwierig, denn die Polizei könne nicht kontrollieren, was in den einzelnen Hotelzimmern passiert. Eine Kampagne der britischen Regierung blieb ohne Erfolg.
Balkon-Unfälle seien also nicht gleich Balconing. Denn der Begriff Balconing steht im englischen Sprachgebrauch für einen gefährlichen Spaß: wenn Urlauber vom Balkon in den Hotelpool springen - sogar aus den oberen Stockwerken. Dabei ereignen sich schwere Unfälle, wenn der Pool verfehlt wird. "Die Jugendlichen stellen die Videos dann ins Internet und heizen sich so noch gegenseitig an", sagt Carter. Der fragwürdige Trend kam vor einigen Jahren auf Ibiza auf. Vor laufender Kamera sprang erstmals 2000 ein argentinischer Rockstar aus dem neunten Stock eines Hotel in einen Pool.
Alfonso Rodríguez, Bürgermeister der Gemeinde Calvià, gibt sich ratlos: "Das stammt nicht aus Calvià, sondern entstand in anderen Tourimuszielen", er wisse es nicht, "hier geschehen die meisten Unfälle beim Klettern von einem Balkon auf den anderen und haben mit viel Alkohol zu tun." Calvià hat Alkoholexzesse und Balconing verboten. "Das Gesetz ist zwar da, doch es wird nichts ändern", klagt Humphrey Carter.
(Aus MM 28/2015)