"Ich habe gemerkt, dass mir Spaß macht, Leute zu beobachten und angefangen, Skizzen zu zeichnen." Aus dieser Erkenntnis wurde ein Beruf. George Riemann ist Illustrator und Cartoonist. Vor rund einem Jahr sagte er Hamburg Adiós. Seitdem wohnt der 55-Jährige in Palma de Mallorca. Es war schon immer sein Traum, eines Tages am Mittelmeer zu leben. Eigentlich wollte er mal nach Barcelona. "Aber es kommt ja immer alles anders als geplant", weiß Riemann, der Wortspiele liebt und das Alltagsleben im wahrsten Sinne des Wortes mit der spitzen Feder begleitet. Seine Zeichnungen fertigt er mit Feder und Tintenfass, später wird koloriert.
Geboren wurde Riemann als Hans-Georg in Seesen am Harz. "Aber schon seit meiner Kindheit nennen mich alle nur George." Als Kleinkind zog George mit Eltern und Geschwistern nach Hamburg, machte dort auch Abitur und ging für zwei Jahre zur Bundeswehr nach Kiel. Durch die Verpflichtung verdiente er sich das Geld für eine Auszeit. "Ich bin mit 21 für ein Jahr nach Mexiko gegangen und dort so à la Easy Rider mit dem Motorrad herumgefahren. Eine tolle Zeit."
Zurück in Deutschland wollte George an einer Kunstschule studieren. Doch keine Institution nahm ihn an. Einem Tipp folgend bewarb er sich an einer Kunstschule in San Francisco. Dort klappte es. Aus einem Jahr, wie geplant, wurden 15. George lernte die Frau seines Lebens kennen, zumindest glaubte er das damals, heiratete, hatte beruflichen Erfolg. Er arbeitete als freiberuflicher Illustrator unter anderem für "Washington Post", "Wall Street Journal" oder "Village Voice". Am wichtigsten fürs Renommee war aber "mit Abstand" Georges Arbeit für "The New Yorker". 1995 erschien das erste Mal ein Riemann-Bild auf dem Titel des Magazins, zwei weitere folgten. "Das war wie ein Ritterschlag", erinnert sich der Illustrator und fügt hinzu, dass seine Arbeiten damals "richtig gut bezahlt" wurden.
Es blieb nicht alles eitel Sonnenschein in San Francisco. Scheidung, ein schwerer Motorradunfall, die Aufträge wurden weniger. George zog 2001 wieder nach Hamburg zurück. Eigentlich wollte er nur ein Jahr bleiben, dann weiter nach Barcelona ...
Ein beruflicher Kontakt nach San Francisco ist geblieben. Bis heute, seit mehr als 20 Jahren, liefert er der Zeitung "The Recorder" einen wöchentlichen Cartoon. George macht keinen Hehl daraus, dass es ihm in den erfolgreichen Jahren in den USA finanziell besser ging als heute. Wie so vielen in seiner Branche. "Illustrationen sind damals aus der Mode gekommen. Es wurde dafür zum Beispiel auf computergenerierte Sachen gesetzt."
In Hamburg hatte Riemann eine künstlerische Phase, in der vor allem großformatige Ölbilder entstanden. "Der Keller war damit schnell voll", lacht George. "Ich habe auch einige verkauft, bis zu 5000 Euro das Stück, aber es waren zu wenige." Also besann er sich wieder aufs Zeichnen. "Ich habe gemerkt, dass ich vieles, was ich sagen will, auch mit wenigen Strichen ausdrücken kann."
Im Laufe der Jahre entstanden einige Bücher, aktuell gibt es vom Zeichner im Eigenvertrieb den Cartoonband "Gesundheit!! Lachen, bis der Arzt kommt ..." (www.georgeriemann.de). Darin haucht George Dingen, wie zum Beispiel Haushaltsgegenständen, auf komische Art und Weise Leben ein.
"Meine Zeichnungen sollen nicht nur witzig sein", erkläutert George den eigenen Anspruch. "Ich will, dass man sie sich auch später gerne nochmal anschaut."
Zu den bevorzugten Themen des Zeichners, der erfolgreich auf Cartoonfestivals vertreten ist, gehören "vor allem Themen, die mit der Menscheit im Allgemeinen zu tun haben". Dazu gehört Konsumbesessenheit genauso wie Modetrends, ein neuer Haarstil, Han-dys oder Smartphones. Und Religion. "Ja, Religion habe ich schon immer gerne aufs Korn genommen. Jetzt wieder verstärkt durch den IS. Dabei dachte ich, Religion sei ein Auslaufmodell."
Ist George Riemann eigentlich ein Künstler? Oder "nur" ein Illustrator? "Beides. Ich habe angefangen als bezahlter Zeichner, der nach Vorgaben Illustrationen macht. Damit war ich auch lange Zeit glücklich. Aber schon in den USA habe ich festgestellt, dass ich auch sehr gerne eigene Ideen umsetze."
(aus MM 30/2016)