Es ist ein Ärgernis, das nicht wenige Menschen in der Serra de Tramuntana immer wütender macht. Seitdem der Tunnel zum Sóllertal kostenlos benutzt werden darf, hat die Anzahl illegaler Auto- und Motorradrennen auf der Transversale Ma-10 durch das langgestreckte Mallorca-Gebirge deutlich zugenommen. So deutlich, dass eine Bürgerinitiave immer mehr Zulauf hat und zunehmend mit Aktionen auf die Zustände in dem Gebirge aufmerksam macht.
Zuletzt protestierten einige vom Lärm gepeinigte Anwohner vor dem Sitz der spanischen Verkehrsbehörde DGT in Palma. Auf Plakaten forderten sie eindringlich Rücktritte der zuständigen Amtsträger, da diese aus ihrer Sicht viel zu wenig tun, um die aus dem Ruder gelaufene Situation wieder in den Griff zu bekommen. Genau einen Monat vorher hatten etwa 50 Lärmopfer zeitweise einen Abschnitt der Ma-10 im Dorf Banyalbufar gesperrt und ein Plakat gezeigt, auf dem da-rauf hingewiesen wurde, dass die Serra de Tramuntana offiziell als Unesco-Welterbe gilt, wo solche Rennen nichts zu suchen hätten.
„Früher rasten die Auto- und Motorradfahrer an Wochenenden durch die Tramuntana, jetzt so gut wie an sämtlichen Tagen”, so Pepe Tosar von der Antilärm-Initiative. Diese umfasst seinen Angaben zufolge bereits mehrere Hundert Menschen. „Nachts sind Autos zwischen 23.30 und etwa 5 Uhr unterwegs, am Tag Motorräder.” Manchmal sei es so, dass der Lärm im gesamten Sóller-Tal zu hören sei, da die umliegenden hohen Berge den Schall noch erheblich verstärkten, so Pepe Tosar gegenüber MM.
Die Fahrer tauschten für die Rennen zu allem Überfluss noch extra die Auspuffrohre aus, sodass die Gefährte besonders laut würden. „Die Geschwindigkeitsbegrenzungen werden grundsätzlich ignoriert”, so Tosar weiter. Für normale Verkehrsteilnehmer sei es inzwischen extrem gefährlich, die Straße zu benutzen, da sie immer mit entgegenkommenden, viel zu schnellen Motorrädern oder Autos rechnen müssten, die in den engen Kurven mitunter rücksichtslos einfach mal auf die andere Spur wechselten.
Diejenigen, die diese Rennen organisieren und durchführen, treffen sich laut Pepe Tosar vor allem am Aussichtspunkt Ses Barques. „Die sehen den Mirador als eine Art Werkstatt.” Bei den Teilnehmern handele es sich vor allem um junge Leute bis 30 Jahre, aber auch ältere habe man wiederholt gesichtet. Sie scheuten mitunter nicht davor zurück, Zäune einfach einzureißen, um auf Privatgrund ihre Gefährte abzustellen.
Die illegalen Rennen wurzeln nach weiteren Angaben des Sprechers der Bürgerinitiative in legalen Aktivitäten dieser Art, die bereits seit vielen Jahrzehnten stattfinden – etwa einem alljährlich stattfindenden Autorennen zum höchsten Berg der Insel, dem Puig Major. Insgesamt finden pro Jahr 23 legale Wettbewerbe dieser Art im Gebirge statt.
Als in der vergangenen Woche anlässlich der größten Messe der Insel, dem Dijous Bo in Inca, ein solches Rennen veranstaltet wurde, musste es abgebrochen werden, weil auf einmal Esel die Ma-10 blockierten. Dass dies beabsichtigt gewesen sei, streitet die Bürgerinitiative genauso ab wie den Vorwurf, unlängst rutschiges Öl auf die Fahrbahn geschüttet zu haben. Das behaupteten zumindest mehrere Motorradfahrergruppen gegenüber der MM-Schwesterzeitung „Ultima Hora”. „Die Ölflecken verschwinden plötzlich, dann kommt die Kurve und sie tauchen wieder auf, so wie hier vor dem Kloster Lluc”, so ein Motorradfahrer. Pepe Tosar sagt dazu, dass solche Ölflecken wohl von Unfällen stammen dürften.
Die Motorradfahrer sind ganz allgemein nicht gut zu sprechen auf die wütenden Bürger. So etwa Patrick B., leidenschaftlicher Motorradfahrer, der oft in der Serra de Tramuntana unterwegs ist. Illegale Rennen am Tag habe er nie gesehen. „Sie übertreiben”, sagt er über die erzürnten Anwohner.
Auf Behördenseite kommt man derweil nur schleppend in die Gänge. Die Geschwindigkeitsbegrenzung wurde immerhin bereits von 80 auf 60 km/h verringert. Außerdem kündigte der Inselrat inzwischen an, mallorcaweit rund 70 Kameras mit Nummernschildlesern zu installieren, 17 davon auf der Ma-10. Hinzu kommen Lärmmessgeräte. Aber: Die Verkehrsbehörde DGT plant, vorerst keine dauerhaften Radaranlagen zu installieren.
Der Bürgerinitiative ist das zu wenig. Die Polizeikontrollen müssten intensiviert werden, so ihr Vertreter Pepe Tosar. Geschehe dies nicht, werde man weitere Aktionen wie Blockaden organisieren. Immerhin gibt es inzwischen auch Druck von außen: Icomos-España, ein Beratergremium der Unesco, äußerte sich „besorgt” über die Rennen.