Seitdem Jesus Christus in einem Stall das Licht der Welt erblickte, ist die Problematik, ein Dach über dem Kopf zu behalten oder zu suchen, Teil der Menschheitsgeschichte – auch auf Mallorca. Erst vor einigen Tagen erschütterte eine Nachricht aus dem verschlafenen Dorf Sencelles die Insel. Dort verhielten sich Menschen, die das Gästehaus der Finca einer belgisch-französischen Familie besetzt hielten, nicht so anständig wie ehedem Maria und Josef in ihrer Notunterkunft, sondern wie Berserker. Sie beleidigten und bedrohten die rechtmäßigen Besitzer des Anwesens immer und immer wieder, der Vater wurde sogar mit einem Hammer angegriffen. Am Ende sah die Familie keine andere Möglichkeit, als ihre Finca zu verlassen und in eine Wohnung in Palma zu ziehen, die Töchter wurden wohl psychisch nachhaltig geschädigt.
Der Fall in Sencelles ist der bislang dramatischste auf Mallorca in den vergangenen Wochen was Hausbesetzungen angeht. Angesichts der anhaltenden Wohnungsnot auf der Insel – ein zur Entspannung gedachtes Dekret der Balearenregierung scheint noch nicht zu greifen – machen immer wieder solche Aktionen von sich reden. In Palma muss sich die Stadt selbst inzwischen mit Besetzern herumschlagen: Aktenkundig ist der Fall zweier sozial benachteiligter Familien, die ein Ex-Bildungszentrum für Erwachsene besetzt halten. Sie wohnen bereits seit Oktober des Jahres 2022 dort und denken nicht daran, das Gebäude zu verlassen. Man habe Kinder und Hunde und würde deswegen keine Mietwohnungen bekommen, zitierte die MM-Schwesterzeitung „Ultima Hora” einige der Besetzer. Jetzt setzt die Stadtverwaltung alles daran, die unliebsamen Gäste der Immobilie zu verweisen.
Privateigentümer sind nicht besser dran: Eine Wohnungsbesitzerin namens Cristina Jiménez bekommt seit nunmehr 20 Monaten von ihrer Mieterfamilie keine monatlichen Zahlungen für ihre 120-Quadratmeter-Immobilie in Palmas Stadtteil Son Oliva. 20.000 Euro würden ihr inzwischen geschuldet, und sie bekomme die Personen nicht wieder aus der Wohnung heraus, sagte sie. Die Tatsache, dass sie noch monatlich eine Hypothek abzahlen müsse, verschlimmere die ohnehin schon grenzwertige Lage. Sie sei auf die monatlich 850 Euro angewiesen, ihr werde das Leben völlig ruiniert, so Cristina Jiménez.
Die Regionalregierung hat den Ernst der Lage inzwischen erkannt und will ein Anti-”Okupa”-Büro einrichten: Investiert werden sollen immerhin eine Million Euro, wie aus dem Haushaltsentwurf für das kommende Jahr hervorgeht, den die PP-Partei mit Unterstützung der rechtspopulistischen Vox-Gruppierung verabschiedet hat. An das Büro können sich selbstredend Menschen wenden, deren Immobilie von „Okupas” besetzt wurde.
Dass Mieter zu Besetzern werden, ist ein Phänomen, das angesichts unablässig steigender monatlicher Zahlungen bei einem sehr knappen Angebot immer virulenter auf Mallorca wird. Laut Natalia Bueno, der Chefin des Maklerverbandes API, fürchten Immobilieneigentümer derzeit kaum etwas mehr als dies. Und das aus gutem Grund: Zahlungsunwillige könnten sich auf einen Passus im seit Mai spanienweit geltenden neuen Wohngesetz berufen, in welchem Mietern ausdrücklich erlaubt wird, sich auf eine „Gefährdungslage” zu berufen, wenn sie nichts mehr bezahlen. Deswegen würden immer mehr Vermieter ihre Häuser und Wohnungen vom Markt nehmen – auf Mallorca seien das seit Inkrafttreten des Gesetzes bereits 30 Prozent, so Natalia Bueno. Angesichts der Unsicherheit würden viele Besitzer ihre Immobilien verkaufen.
Die angespannte Lage an der Wohnungsfront wird von schwarzen Schafen gnadenlos ausgenutzt: Jüngst wurde ein Palmesaner Lokalpolizist festgenommen, weil er menschenunwürdige, lediglich acht bis 15 Quadratmeter kleine Verschläge an der Joan-Miro-Straße vermietet hatte. Inzwischen äußerten einige der Mieter, nichts mehr dafür zu zahlen, sind also jetzt auch „Okupas”.
So prekär die Situation für die Mieter an der Joan-Miró-Straße ist, es geht noch erheblich schlimmer: Vor den Schaltern des Reisekonzerns TUI im Flughafen von Mallorca richtete sich unlängst eine wohnungslose Kubanerin häuslich ein. Ihre kommunistische Heimat will die Staatsangehörige namens Dios Mary nach eigenen Angaben aus bürokratischen Gründen nicht wieder einreisen lassen. Vor mehr als zehn Jahren war die Mittelamerikanerin mit ihrem Ehemann nach Mallorca gezogen. Doch der Gatte verließ sie nach einiger Zeit und reiste wieder nach Kuba zurück. Zurück blieb seine Frau, die nach eigenen Angaben arbeitslos ist und jetzt im Flughafen lebt.