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Meinung

Bußgeld für Sonnenbrillenkauf: Warum das Bestrafen von Urlaubern nicht richtig ist

Palma erklärt Touristen zu Komplizen im Straßenhandel. Wer nichts weiß, wird bestraft – ein neuer Tiefpunkt kommunaler Verachtung, findet MM-Redakteur Andreas John

Ingos Helmuts

| Mallorca | |

Herzlich willkommen auf Mallorca – wo der Wahnsinn eine Verwaltungsakte ist. Seit dem 26. Mai gilt hier ein neues Regelwerk: Wer bei einem nicht lizenzierten Straßenverkäufer eine Sonnenbrille kauft, darf statt Souvenir gleich noch ein Bußgeld mit nach Hause nehmen. Zwischen 100 und 750 Euro für das Vergehen, keine Boutique aufgesucht zu haben. Ob man wusste, dass es verboten war? Geschenkt. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, Ignoranz auch nicht – denn auf Mallorca herrscht jetzt kollektive Sippenhaft für Spontankäufer.

Die Argumentation aus dem Rathaus liest sich wie aus der Abteilung "Juristischer Slapstick": Man wolle den legalen Handel schützen. Schön und gut. Doch statt gegen organisierte illegale Verkäufer vorzugehen, zielt man nun auf den Touristen, der am Strand eine Brille kauft, weil er seine im Hotel vergessen hat. Dass dieser vermutlich keine Ahnung hat, dass sein Kauf illegal sein könnte – egal. Informiert wird sowieso nicht. Transparente, Hinweise oder gar Piktogramme? Fehlanzeige. Aber wehe, du hast gekauft – die Policía Local zieht die Quittung sofort aus dem Halfter.

Dabei hat die EU längst festgelegt, was Sache ist: Verbraucher müssen informiert sein, bevor man sie bestraft. Die Richtlinie 2005/29/EG ist da eindeutig: Wer einem Konsumenten wesentliche Informationen vorenthält, handelt unfair. Dass auf Mallorca offenbar niemand auf die Idee kam, zumindest einen Warnhinweis an beliebten Verkaufsorten aufzustellen, spricht Bände. Vielleicht war gerade Siesta. Oder man rechnet einfach mit der Ahnungslosigkeit der Massen – als neue Einnahmequelle im Haushaltsplan.

Und das ist der eigentliche Skandal: Die Stadt Palma erhebt den touristischen Fehltritt zur Einnahmequelle. Keine Prävention, keine Sensibilisierung, keine sprachlich zugänglichen Flyer in Hotelzimmern. Stattdessen: ein Ordnungsamt, das den Einmalkäufer wie einen Schwarzmarkt-Finanzier behandelt. Wäre es nicht so grotesk, man müsste es bewundern. Noch schöner: Der Verkäufer bleibt oft unerkannt, ist längst über alle Berge – während der Tourist mit Käppi, Plastikbrille und Crocs den Strafzettel in Händen hält. .

Wer sich das gefallen lässt, kann auch gleich beim nächsten Sangria-Stand fragen, ob das Glas mit Steuerbanderole kommt. Die Willkür, mit der hier sanktioniert wird, ist nicht nur peinlich, sondern rechtlich fragwürdig. Vielleicht sollte die EU mal einen Workshop auf den Balearen abhalten: Thema "Wie erkläre ich einem Touristen, dass er gerade zum Kriminellen gemacht wurde?" Denn eines ist klar: Wer Verbraucherrechte so dreist untergräbt, spielt mit dem Feuer – oder vielmehr mit Artikel 6 Absatz 1 der EU-Richtlinie. Und die ist nicht weniger bissig als der Bußgeldbescheid aus Palma.

Mallorca hat es geschafft, aus dem harmlosen Sonnenbrillenkauf ein bürokratisches Fegefeuer zu machen. Der nächste Schritt ist vermutlich die Strafverfolgung von Kindern, die am Strand ein Muschelhalsband kaufen. Wer’s nicht weiß, zahlt eben trotzdem – Willkommen im neuen Mittelmeerparadies, wo die Sonne lacht, der Polizist schreibt, und die Verwaltung die letzte Instanz der Vernunft ist. Oder eben auch nicht.

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