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So verwirklichte dieser deutsche Arzt auf Kreuzfahrschiffen rund um Mallorca seinen Traum vom Süden

Warum ein bayerischer Herzchirurg lieber Seekrankheiten kuriert, statt im OP-Saal Herzen zu reparieren. Und warum er jetzt ein Buch darüber geschrieben hat

Reinhard Friedl ist mittlerweile Flottenarzt für alle acht Kreuzfahrtschiffe von Tui Cruises | Foto: Privat

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Der Mann, der heute Passagiere und Crewmitglieder auf hoher See beruhigt, wenn es irgendwo sticht, kratzt oder pfeift, hat früher echte Herzen in Händen gehalten. Reinhard Friedl, 61 Jahre alt, gebürtiger Bayer, Herzchirurg und Intensivmediziner, ist inzwischen der Mann mit dem Stethoskop an Deck – Fleet Senior Doctor der Tui Cruises-Flotte, die acht Kreuzfahrtschiffe über die Weltmeere schickt.

Ein Herzchirurg auf Kreuzfahrt – klingt nach Midlife-Crisis mit Kompressionsstrümpfen, ist aber viel mehr: eine Auszeit vom OP, eine Rückkehr zum Menschen – und ein Abenteuer, das er jetzt auch noch zwischen zwei Buchdeckeln konserviert hat. Titel: Ein Arzt für jede Welle . Wie passend.

Bis 2016 hantierte Friedl mit Skalpell und Kardiotechnik in verschiedenen Uni-Kliniken, irgendwann nagte etwas an seinem eigenen Herzen – nicht medizinisch, sondern existenziell. „Ich habe mich lange mit Meditation beschäftigt“, sagt er heute und klingt dabei, als hätte er am OP-Tisch Erleuchtung gefunden. „Was ist das Herz eigentlich? Nur eine Pumpen? Oder kann es auch fühlen?“ Dafür gibt es heute eine große wissenschaftliche Evidenz. Friedl folgte seinem Herzen. Und das schickte ihn aufs Meer! Segeln war schon immer seine Leidenschaft, den Atlantik hat er mal eben so überquert. Warum also nicht ein Kreuzfahrtschiff samt 2500 Gästen in die Karibik begleiten? Notfallmedizin, Seelsorge und Abenteuer mit unerwarteten Gästen.

Vier Monate nach seiner Bewerbung bei Tui Cruises zog Friedl 2017 das erste Mal die Borduniform über. Seitdem pendelt er zwischen zwei Welten: sechs Monate im Jahr arbeitet er an Bord der schwimmenden Städte, die anderen sechs Monate ist er wieder zurück in Deutschland – in seiner eigenen Privatpraxis, ganz bodenständig zwischen Herz und Kopf, zwischen Ultraschall und EKG. Zwei Leben, ein Herzschlag.

Sein schwimmendes Krankenhaus klingt nach Abenteuer pur: Zwei bis drei Ärzte, bis zu fünf Pfleger, eine Intensivstation, OP-Saal, Röntgen- und Beatmungsgerät, Labor – alles da, was man braucht, um das Leben von Urlaubern bei lebensbedrohlichen Notfällen, Unfällen nach Landgang oder einer Poolparty wieder auf Kurs zu bringen..Dabei sind die häufigsten Diagnosen banaler als man glaubt: Husten, Schnupfen, Heiserkeit, Blutdruck zu hoch, Kreislauf zu schwach, Schnittwunde am Liegestuhl, Verbrühung in der Kombüse. „Langweilig wird es nie“, sagt Friedl. Und: „Ein Schiffsarzt ist immer auch Seelsorger.“ Manche Patienten kommen mit pochendem Herzen – aber nicht, weil der Blutdruck Achterbahn fährt. Sondern weil Ehekrisen, Lebenskrisen, Midlife-Crises an Bord viel lauter rauschen als die Wellen draußen. Dann sitzt Friedl da, nimmt sich Zeit und hört zu. Gegen Herzweh dieser Art helfen keine Pillen..

Und manchmal spielt das Leben selbst den größten Zauberer. Friedl erzählt von einer Frau, die wegen heftiger Bauchschmerzen seine Krankenstation aufsuchte. Ein klarer Fall für den Ultraschall. Doch was da auf dem Monitor blinkte, war kein Tumor, keine Zyste, keine schlimme Überraschung – sondern ein winziges, schlagendes Herz. „Die Frau war völlig baff“, erinnert sich Friedl. Jahrelang hatte man ihr gesagt, dass sie niemals Kinder bekommen könne. „Da lag sie nun, mitten auf dem Ozean, und sah dieses kleine Wunder auf dem Bildschirm.“ Für Friedl ein Moment, der ihm bis heute Gänsehaut macht. „Das war eine riesige Freude für die Patientin, ihren Partner und das ganze Hospitalteam“, sagt er. Zwischen Seekrankheit, Sonnenstich und Prellungen auch mal ein neuer Anfang – wer hätte das gedacht.

Einmal starb ein Crewmitglied

Natürlich gibt es auch die Geschichten, bei denen man lieber weghört. Einmal starb ein Crewmitglied, Hirnblutung. Keine Chance, obwohl Friedl erfahrener Notarzt ist „Wir haben alles versucht, schon an Land eine Katastrophe und natürlich auch auf dem Ozean schwer zu behandeln“, sagt Friedl.

Und dann gibt es die skurrilen Zwischenfälle, bei denen selbst ein erfahrener Schiffsarzt schmunzeln muss. Gibraltar, ein Ausflug, ein Affenfelsen, eine ältere Dame mit einem Brötchen in der Tasche. Die berühmten Berberaffen dort sind bekanntlich keine Kostverächter. Einer griff zu, die Dame griff zurück. Der Affe biss – in den Finger, nicht ins Brötchen. Als ob das nicht reichte, eilte auch noch die Affenmutter herbei, es folgte ein Sturz, ein paar Schrammen, ein paar Tränen. Friedl erzählt die Szene heute mit einem Lächeln: „Außer ein paar Blessuren ist zum Glück nichts passiert.“

Reinhard Friedl hat für sich selbst längst die Diagnose gestellt: „Folgt eurem Herzen. Meins hat mich aufs Schiff gebracht.“ Und so schippert er weiter, halb Arzt, halb Abenteurer, halb Psychologe. Immer auf der Suche nach der nächsten Welle – und einem Herz, das zuhören will.

„Ein Arzt für jede Welle”

Reinhard Friedl

Erschienen im

Goldmann Verlag,

Juli 2025

ISBN: 978-3-442-14316-0

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