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Migrationskrise

Frontex schlägt Alarm: Mallorca gerät immer mehr ins Zentrum der Schleuserrouten

Die EU-Grenzschutzagentur warnt: Über Migrantenboote gelangen immer höhere Sicherheitsrisiken nach Europa

Beamten der Hafenpolizei von Palma beobachten im Fährterminal untergebrachte Bootsflüchtlinge | Foto: ARCHIV

| | Mallorca |

Die Balearen sind längst nicht mehr nur Urlaubsziel, sondern auch Teil einer der wichtigsten Migrationsrouten im westlichen Mittelmeer. Immer häufiger erreichen kleine, überfüllte Boote aus Nordafrika die Küsten von Mallorca, Ibiza oder Formentera. Für die EU-Agentur Frontex ist das kein Randphänomen, sondern ein ernstes Sicherheitsproblem.

In ihrer jüngsten "Jährlichen Risikoanalyse 2025/2026" warnt die Grenzschutzbehörde vor der Möglichkeit, dass Personen mit "potenziell böswilligen Absichten" unerkannt nach Europa gelangen könnten. Gemeint sind Kriminelle, Saboteure, sogar Geheimdienstagenten. Das Mittelmeer, traditionell Schauplatz von Migration, werde zunehmend zu einem Einfallstor, das auch für Gegner der EU interessant sei.

Schmugglerbanden erfinden sich neu

Die Route über das westliche Mittelmeer, zu der auch die Balearen zählen, wird laut Frontex vor allem von Bewohnern der nordafrikanischen Küstenregionen genutzt. Doch einfache Überfahrten seien es längst nicht mehr. Schmugglerbanden hätten ihre Methoden perfektioniert, um den Kontrollen von Polizei und Küstenwache zu entgehen. Ihre Boote legten nachts oder weit entfernt von bekannten Stränden ab, um nicht entdeckt zu werden.

Dabei beobachtet Frontex eine geografische Verschiebung: Die Abfahrten aus Marokko gehen zurück, während Algerien als Ausgangspunkt immer wichtiger wird. Folge: Mehr Ankünfte im Osten der Balearen – und damit besonders auf Mallorca. Die Prognosen, wonach die Zahlen stabil bleiben würden, haben sich als Illusion erwiesen. Tatsächlich ist die Zahl der Boote, die die Inseln erreichen, deutlich höher als im Vorjahr. Offiziell wurden auf den Balearen seit Anfang des Jahres mehr als 5000 Bootsflüchtlinge registriert.

Sicherheit kontra Realität

Die nüchterne Analyse der Frontex klingt alarmierend. Doch die Behörden auf den Balearen winken ab. „Alle Migranten werden nach ihrer Ankunft gründlich überprüft“, betont Alfonso Rodríguez, der Regierungsbeauftragte für die Inseln. Erst unterstützt die Guardia Civil die Ankommenden, danach übernimmt die Nationalpolizei. Personalien werden aufgenommen, Fingerabdrücke registriert, Datenbanken abgeglichen.

Rodríguez gibt sich betont gelassen: „Die Bevölkerung muss sich keine Sorgen machen. Es gibt keine Freilassung ohne gründliche Kontrolle.“ Damit widerspricht er indirekt der Schärfe der Frontex-Warnung. Dennoch wächst die Verunsicherung – nicht nur bei der Bevölkerung, sondern auch in der Politik. Denn hinter den nüchternen Zahlen verbirgt sich ein logistisches Problem, das kaum lösbar scheint.

90 Prozent reisen weiter – Minderjährige bleiben

Rund 90 Prozent derjenigen, die auf Mallorca oder den Nachbarinseln anlanden, bleiben nur kurz. Nach maximal 72 Stunden nehmen sie die Fähre nach Barcelona. Von dort geht es für viele weiter nach Frankreich oder Belgien. Doch am Fährterminal von Palma war in den vergangenen Tagen eindrücklich zu sehen, wie sehr die Inseln zum Durchgangsort geworden sind: Gruppen junger Männer mit Plastiktüten, erschöpft, orientierungslos, aber entschlossen, ihre Reise nach Europa fortzusetzen.

Eine Ausnahme bilden die unbegleiteten Minderjährigen. Sie dürfen die Inseln nicht verlassen, sondern werden vom jeweiligen Consell, der Inselverwaltung, in Obhut genommen. Derzeit sind es rund 600 Kinder und Jugendliche, die auf Mallorca, Ibiza und Formentera betreut werden. Für die Behörden ist das längst ein Kraftakt, den sie kaum mehr stemmen können. Heime sind überfüllt, Sozialarbeiter überlastet, Hilfsorganisationen am Limit. Menorca bleibt bisher verschont – dort ist kein minderjähriger Migrant offiziell registriert.

Politischer Zündstoff

Dass die Balearen zur Bühne dieser Migrationsdynamik werden, sorgt für Zündstoff in der Regionalpolitik. Konservative werfen der Zentralregierung in Madrid Nachlässigkeit vor, linke Parteien mahnen zu Menschlichkeit und Solidarität. Die Landesregierung verweist auf die strukturelle Herausforderung: Die Inseln seien Transitgebiet, nicht Zielort. Doch was wie ein nüchterner Verwaltungsaspekt klingt, hat reale Folgen: Hotels am Fährhafen dienen inzwischen als provisorische Unterkünfte, während gleichzeitig Urlauber mit ihren Rollkoffern neben erschöpften Migranten vorbeiziehen.

Frontex liefert derweil Zahlen, Szenarien und Mahnungen. Ihre Botschaft: Mit der steigenden Migration wächst auch das Risiko von Infiltration und organisierter Kriminalität. Für die Behörden auf Mallorca bleibt damit ein Spagat zwischen Sicherheit, Humanität – und den begrenzten Kapazitäten einer Insel, die mit beiden Realitäten leben muss.

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