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Wo ist mein Baum? Anwohnervereinigung mobilisiert Bürger gegen die schleichende Beseitigung des städtischen Grüns

Mit diesen Maßnahmen im Palmas hippen Stadtteil Pere Garau wollen die Initiatoren den Druck auf das Rathaus wachsen lassen

Einer von vielen: In der Straße Reyes Católicos im Pere-Garau-Viertel stand einst ein Baum, der nach seiner Beseitigung nicht mehr ersetzt wurde | Foto: Pere Garau Saludable

| Palma, Mallorca |

Das hat es auf Mallorca noch nie gegeben: Plötzlich steht ein Baum aus Pappe auf dem Bürgersteig oder am Straßenrand. So ges(ch)ehen in Palmas hippen Multikulti-Stadtteil Pere Garau, bekannt für seine Markthalle aus dem Jahre 1943. Das Viertel gilt als noch weitgehend authentisch, es bekommt aber die wachsende Nachfrage durch Touristen und ausländische Immobilienkäufer immer stärker zu spüren.

Gegen den damit einhergehenden Wandel in der örtlichen Lebensqualität macht die Vereinigung „Pere Garau saludable“ (Gesundes Pere Garau) stark. Mal wettert sie gegen Grafitti-Schmierereien, mal gegen achtlos in den Straßen entsorgten Sperrmüll, mal gegen fehlende Abfallcontainer oder defekte Bürgersteige.

Jetzt hat „Pere Garau saludable“ das öffentliche Grün in dem Stadtviertel unter die Lupe genommen, insbesondere dort, wo es gar nicht (mehr) vorhanden ist. Die Organisation listete sämtlich Standort auf, an denen einst Straßenbäume gestanden hatten. Und wo heute nur noch leere Baumscheiben oder zubetonierte und überflieste Bereiche zu finden sind.

Die Lokalaktivisten dokumentierten all jene Stellen in einer Studie und errichteten an den baumlosen Standorten symbolische Gebilde aus Pappe, um deutlich auf das Fehlen des städtischen Grüns hinzuweisen. Wie die Organisation am Mittwoch in einer Mitteilung bekanntgab, habe sich der Baubestand in den vergangen 15 Jahren in dem Viertel schleichend verringert.

Auch an dieser Stelle im Carrer Reyes Católicos hatte zuvor ein echter Baum gestanden. Foto: Pere Garau Saludable

Die Studie umfasst die Identifizierung der Baumarten, die Position der leeren Baumscheiben, die Zustand beschädigter Bäume sowie das Verhältnis von Bäumen pro Straße. All dies wird durch Fotodokumentation und die genaue Standortangabe jedes Punktes auf einer Karte ergänzt.

Pere Garau war einst viel grüner

Die Bebauung des Stadtviertels von Pere Garau begann zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in den Straßen waren gleichmäßig Baumreihen angelegt worden, die dort Schatten spenden sollten. Doch in den vergangenen hundert Jahren haben verschiedene Straßen eine Beseitigung ihrer Grünmasse für mehr Fahrspuren erlitten – etwa die Straßen Torcuato Luca de Tena, Reis Catòlics oder der Mittelstreifen der Calle Manacor, die an das Viertel Foners grenzt.

Insbesondere die genannten Straßen weisen eine hohe Wohnungsdichte sowie intensiven Fahrzeug- und Fußgängerverkehr auf. Der Rückgang des Baumbestands wirkt sich dort direkt auf die Luftqualität und die Umgebungstemperatur aus. Die Folge sind sogenannte städtische Wärmeinseln, sprich Zonen, in den bei direkter Sonneneinstrahlung extreme bis lebensfeindliche Hitzebereiche entstehen.

"Wir brauchen mehr Schatten"

Die Initiative von „Pere Garau saludable“ ist Teil der Kampagne „necessitam més ombra“ („Wir brauchen mehr Schatten“), die von der Anwohnervereinigung ins Leben gerufen wurde, um das Rathaus von Palma und die Bürgerschaft für die Bedeutung der Erhaltung und Erweiterung der grünen Infrastruktur zu sensibilisieren.

Die Organisation erinnert daran, dass Stadtbäume unerlässlich sind, um Hitze zu mildern, Lärm zu reduzieren und das Zusammenleben im öffentlichen Raum zu verbessern. Daher fordert sie einen Maßnahmenplan zur Verbesserung der bestehenden Baumscheiben, die optimale Nutzung vorhandener Möglichkeiten sowie die Neubepflanzung leerer Stellen mit Arten, die an das mediterrane Klima angepasst und widerstandsfähig gegenüber städtischen Bedingungen sind.

Baumfällung in Palmas Stadtviertel Son Oliva, Calle Francisco Asenjo. Foto: ultimahore.es

Unterdessen geht an anderen Orten in Palma das bewusst herbei exerzierte Baumsterben weiter. Das städtische Grünamt fällt ausgewachsene Bäume mit der Begründung, die Pflanzen stellten eine Gefahr für Passanten dar, so wie dieser Tage im Stadtteil Son Oliva, wo neun stattliche Robinien ohne Ankündigung der Motorsäge zum Opfer fielen.

Auch anderen Stellen in Palma verschwinden immer wieder die grünen Sauerstoff- und Schattenspender. Vor einigen Jahren geschah dies in der viel befahrenen Ausfallstraße Calle Indústria. Auch an der Plaza Puente wurden drei geradezu emblematische Kiefern durch unscheinbare Jungpflanzen ersetzt. Diesen Wechsel empfanden Anwohner noch als Glücksfall. Denn es kommt nicht selten vor, dass die baumlosen Öffnungen in der Straße lange Zeit tatsächlich leer bleiben, bis sie dann unter einer Betonschicht verschwinden. Fälle, wie sie auch von Pere Garau Saludable dokumentiert wurden.

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