Es gibt Menschen, die betreten einen Raum und alles wird ruhiger. Gabriela Sabatini ist so jemand. Kein Blitzlichtgewitter, keine schneidende Stimme, kein Drang zur Pose – nur diese stille Präsenz, die man von echten Stars kennt, die es nicht mehr nötig haben, zu beweisen, dass sie welche sind. In Santa Ponça, auf der Anlage des Mallorca Country Club, sitzt die 55-Jährige bei der Pressekonferenz, cool, gelassen, selbstbewusst. „Ich liebe diesen Sport immer noch”, sagt sie, „aber ich bin froh, dass ich ihn heute aus der Ferne betrachten darf.”
Gabriela Sabatini, geboren am 16. Mai 1970 in Buenos Aires, zählt zu den größten Tennisspielerinnen ihrer Generation. Mit 27 WTA-Titeln, darunter der Sieg bei den US Open 1990, und einer Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul, prägte sie das Tennis der 1980er und 1990er Jahre entscheidend. Ihre Rivalität mit Steffi Graf, der sie 40 Mal gegenüberstand – 29 Mal siegte die Deutsche, 11 Mal die Argentinierin –, ist legendär. Doch während Graf oft als die dominierende Spielerin dieser Ära galt, blieb Sabatini stets die charmante, aber unterschätzte Herausforderin.
Vor 30 Jahren war sie die eleganteste Rivalin der fast unbezwingbaren Steffi Graf. Zwei Frauen, zwei Welten: hier die kontrollierte Perfektion aus Brühl, dort die zurückhaltende Argentinierin mit italienischen Wurzeln, dunkelhaarig, lächelnd, stets ein bisschen geheimnisvoll. „Steffi war und ist für mich eine der Größten, wenn nicht die Allergrößte”, sagt Sabatini heute. „Ich hatte einige bittere Niederlagen gegen sie, aber ich bin ihr dankbar – sie hat das Beste aus mir herausgeholt.”
Die Rivalin, die Geschichte schrieb
Tatsächlich war es Graf, die sie immer wieder in die Knie zwang, nur um ihr dann die Bühne für einen der schönsten Momente ihrer Karriere zu überlassen: den Triumph bei den US Open 1990, ausgerechnet gegen die Deutsche. „In New York habe ich mich immer wohlgefühlt”, sagt Sabatini, „vielleicht, weil dort alles ein bisschen lauter und freier war.” Sie lacht, so wie man lacht, wenn man weiß, dass man etwas geschafft hat, was bleibt.
Heute, im milden Herbstlicht Mallorcas, ist von der Kämpferin von einst nichts mehr zu spüren. Sabatini ist die Patin des am vergangenen Sonntag geendeten Vanda Pharmaceuticals Mallorca Women’s Championships, sie umarmt Ballmädchen, plaudert mit Journalistinnen, nimmt sich Zeit für Selfies – obwohl sie selbst sagt: „Wenn ich heute eine junge Tennisspielerin wäre, hätte ich keine sozialen Medien. Oder ich würde sie verwalten lassen. Jeder kann heute alles schreiben – das ist brutal.” Ein Satz, der nachklingt in einer Welt, in der jede Niederlage binnen Minuten kommentiert wird.
Sabatini weiß, was Druck bedeutet. Zehn Jahre lang hielt sie sich in den Top Ten, mit 26 stieg sie aus. „Ich habe damals sogar mit meinem Psychologen gesprochen, um sicherzugehen, dass ich es nicht bereuen würde”, erzählt sie. „Ich war einfach müde. Nicht körperlich, sondern mental. Müde von den Zwängen, vom Reisen, vom Erwartungsdruck.” Heute klingt das fast selbstverständlich, damals war es ein Tabubruch.
Gelassenheit statt Rampenlicht
Vielleicht ist es dieser innere Frieden, der sie heute so entspannt wirken lässt. Wenn sie von Steffi Graf spricht, klingt das weder nach Nostalgie noch nach Konkurrenz, sondern nach echtem Respekt. „Ich mag ihre Art unheimlich gern”, sagt Sabatini. „Sie ist bodenständig, privat, lebt für ihre Familie und ihre Kinder.” Die beiden stehen in Kontakt, telefonieren ab und zu, gratulieren sich zum Geburtstag. „Wir haben uns vorgenommen, uns bald wiederzusehen”, erzählt Sabatini – und man glaubt ihr, dass sie das wirklich will.
Auf Mallorca kennt man sie längst nicht nur als Tennislegende, sondern als sympathische Wahlinsulanerin. „Ich habe die Insel mit 15 entdeckt, als ich vor Roland Garros hier trainierte”, sagt sie. „Heute komme ich regelmäßig, fahre Fahrrad, genieße das Essen, die Dörfer, das Meer.” Man stellt sich vor, wie sie frühmorgens durch das Tramuntana-Gebirge radelt, irgendwo zwischen Esporles und Sóller, die Haare im Wind, weit weg von jeder Kamera.
Im Gespräch wird schnell klar, dass Sabatini kein nostalgischer Mensch ist. Sie schwärmt nicht von der „guten alten Zeit”, sondern schaut nach vorn – mit einem milden Lächeln auf die Irrungen der Gegenwart. „Die jungen Spielerinnen haben es heute schwerer”, meint sie. „Nicht, weil das Tennis härter geworden ist, sondern weil sie sich ständig erklären müssen – auf Instagram, in Interviews, überall.” Und dann fügt sie mit einem Augenzwinkern hinzu: „Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, dass es in meiner Zeit noch keine Smartphones gab.”
Über große Favoriten redet Sabatini lieber mit leuchtenden Augen als mit Pathos. „Ich liebe Spielerinnen mit Kreativität – wie Ons Jabeur oder Karolína Muchová”, sagt sie. Bei den Männern schwärmt sie von Carlos Alcaraz: „Er spielt mutig, frei, fast kindlich. Das liebe ich.” Und natürlich von Rafael Nadal, dem Helden der Balearen: „Er ist unglaublich – sein Kampfgeist, seine Werte. Ich durfte einmal mit ihm in Buenos Aires spielen. Unvergesslich.”
Blick nach vorn – fernab von Nostalgie
Dass Sabatini einmal Trainerin wird, darf man getrost ausschließen. „Dafür müsste ich mich zu sehr einmischen”, sagt sie lachend. „Ich reise gern, aber nicht mehr aus Pflichtgefühl. Ich möchte Tennis genießen, nicht kontrollieren.”
So sitzt sie nun auf Mallorca, Schirmherrin eines Turniers, das kaum lauter hätte sein können – junge Spielerinnen, Sponsoren, Social-Media-Teams, all das Getöse, das sie selbst einst hinter sich ließ. Und doch passt sie hier perfekt hinein: als sanftes Gegengewicht, als Erinnerung daran, dass Eleganz leise sein kann.
Nach ihrem Rücktritt 1996 zog sich Sabatini weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück. Sie lebt heute in Buenos Aires und Florida und genießt ein Leben abseits des Rampenlichts. Ihre Familie, insbesondere ihre beiden Nichten, spielen eine zentrale Rolle in ihrem Leben. „Ich bin sehr nah bei meinen Liebsten, verbringe gerne Zeit mit der Familie und habe einen besonderen Platz in meinem Herzen für meine beiden Nichten”, sagt sie. Diese Nähe zur Familie und ihre Liebe zum Reisen und Kennenlernen neuer Kulturen geben ihrem Leben eine Tiefe, die über den Tennisplatz hinausgeht.
Sabatini ist auch für ihre Liebe zum Kaffee, Padel und Radfahren bekannt. Doch wenn sie sich entscheiden müsste:. „Es wäre schwer, aber ich habe es klar: Padel”, erklärt sie mit einem Lächeln. Und wenn sie zum Abschluss gefragt wird, was von all dem bleibt – von den Pokalen, den Finals, den Niederlagen –, denkt sie kurz nach. Dann sagt sie: „Vielleicht ist das Schönste, dass Steffi und ich uns heute anlächeln können. Wir haben uns damals gegenseitig besser gemacht. Und das ist doch das Beste, was man über eine Rivalität sagen kann.”