Folgen Sie uns F Y T I R

Bauern und Umweltschützer auf den Barrikaden: In diesem Mallorca-Dorf regt sich Protest gegen neue Bahnlinien

Man könnte meinen, dass niemand ernsthaft etwas gegen den Ausbau des Eisenbahnnetzes auf der Insel haben kann. Ganz so einfach aber ist es nicht ...

Zug ja, aber nicht so! In Sa Pobla gibt es Proteste gegen die geplante Eisenbahn. Das Bild ist KI-generiert | Foto: KI

| Sa Pobla, Mallorca |

Die Balearen-Regierung plant Millionen-Investitionen in den Ausbau der Eisenbahn auf Mallorca. Für zwei Strecken gibt es bereits konkrete Planungen: Einerseits soll die bestehende Bahnlinie in den Inselnorden, die bisher in Sa Pobla endet, bis nach Port d'Alcúdia verlängert werden, andererseits ist eine neue Verbindung von Palma in Richtung Südosten geplant, zunächst bis nach Llucmajor. Diese würde auch Flughafen und Playa de Palma an die Stadt anbinden.

Was auf den ersten Blick logisch und wünschenswert klingt – und zudem seit Jahren im balearischen Verkehrs-Rahmenplan festgeschrieben ist –, stellt sich jedoch zunehmend als umstritten heraus. Seit das regionale Verkehrsministerium die ersten konkreten Planungen der Öffentlichkeit präsentiert hat, melden sich immer mehr kritische Stimmen. Insbesondere gegen die Verlängerung der Bahnstrecke von Sa Pobla an die Nordküste formiert sich Widerstand. Vor allem Landwirte und Umweltschützer laufen Sturm gegen die Pläne.

Widerspruch zwischen Fortschritt und Bewahrung

Wie so häufig, geht es auch diesmal um den Widerspruch zwischen Fortschritt und Bewahrung, Wachstum und Selbstbeschränkung. Dass Mallorca als Insel nur über eine begrenzte Fläche verfügt und das bisherige Expansionsmodell längst an seine Grenzen stößt, ist mittlerweile weitgehend Konsens. Die widerstreitenden Interessen unter einen Hut zu bekommen, gleicht aber einem unmöglichen Spagat. Beispiele dafür gibt es viele.

Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur etwa umfasst nicht nur das Eisenbahnnetz, sondern auch Autobahnen und Landstraßen. Der konservativ geführte Inselrat setzt in diesem Bereich darauf, die Kapazität der steigenden Nachfrage anzupassen und investiert Millionen Euro in den Straßenbau. Kritiker halten dagegen, so werde der Individualverkehr noch weiter gefördert und die Zahl der Autos auf den Straßen nur noch weiter steigen.

Auch die derzeitige Modernisierung inklusive Erweiterung des Flughafens wurde vielfach kritisiert. Sie werde unweigerlich zu einem weiteren Anstieg der Passagierzahlen führen. Dazu passt, dass neue direkte Flugverbindungen wie etwa in die USA, nach Kanada und Abu Dhabi dabei helfen sollen, die jeweiligen Märkte touristisch zu erschließen – allen Beteuerungen, man wollen den Massentourismus begrenzen, zum Trotz.

Aber auch in Bereichen wie dem Wohnungsbau lässt sich gut beobachten, wie schwierig die Abwägung der Vor- und Nachteile auf Mallorca häufig ist. Dass die Insel eine Wohnungskrise erlebt, wie es hier noch nie eine gegeben hat, ist mittlerweile flächendeckend anerkannt, wie aber die Lösung aussehen könnte, ist umstritten. Die konservative Balearen-Regierung setzt auf eine Lockerung der Bauvorschriften und schreckt auch nicht davor zurück, neues Bauland auszuweisen. Umweltschützer und Linksparteien halten dagegen, auf diese Weise werde nur noch mehr Landschaft zerstört und die Immobilienspekulation weiter angeheizt.

Weiteres Beispiel sind die erneuerbaren Energien

Ein weiteres Beispiel sind die erneuerbaren Energien. Dass der Anteil der Solarenergie an der Stromerzeugung auf Mallorca steigen muss, ist eine Tatsache, wie das geschehen soll, ganz und gar nicht. In den vergangenen Jahren entstanden Dutzende Solarparks, überwiegend im ländlichen Raum. Umweltschützer und Bürgervereinigungen kritisieren diese Entwicklung. Schließlich werde nicht nur die Landschaft verschandelt, es gehe auch landwirtschaftliche Nutzfläche verloren. Statt großer Solarparks auf der grünen Wiese sollten zunächst bereits überbaute Flächen für Fotovoltaikanlagen genutzt werden.

Auch das geplante zweite Untersee-Stromkabel, das Mallorca besser ans Festlandnetz anbinden würde, ist umstritten. Zwar stiege so der Anteil erneuerbarer Energien auf der Insel schlagartig, durch eigene Anstrengungen aber hätte sich die Bilanz nicht verbessert: Sie würde nur vom höheren Anteil von Solar- und Windenergie am Strommix auf dem Festland profitieren. Stattdessen sollten die Bemühungen intensiviert werden, den Energiebedarf auf Mallorca zu reduzieren, mahnen Umweltschützer.

Neu sind solche Debatten nicht

Neu sind solcherlei Debatten auf Mallorca dabei keineswegs. Die Geschichte der Naturschutzbewegung auf der Insel reicht bis in die Spätzeit der Franco-Diktatur zurück. Schon damals ging es in erster Linie um den Landschaftsschutz, so etwa bei den Protesten in den 1970er Jahren gegen die geplante Bebauung der Dragonera-Insel. Immer wieder organisierten sich in den folgenden Jahrzehnten Bürgervereinigungen und Umweltschützer gegen Großprojekte, seien es nun neue Autobahnen, Umgehungsstraßen, Golfplätze, Immobilienvorhaben wie das Großkrankenhaus Son Espases oder Luxuswohnsiedlungen in Naturschutzgebieten. Hin und wieder sogar mit Erfolg. Ob das eines Tages auch für die Proteste der Bauern von Sa Pobla gelten wird, bleibt abzuwarten.

Zum Thema
Meistgelesen