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WOHNUNGSMISERE

Pflegen mit Hintergedanken: Kinder bringen sich in der elterlichen Wohnung als Besetzer in Stellung

Der Okupa muss nicht immer ein Fremder sein. Im Streben nach einer eigenen Immobilie nimmt so mancher auch die eigene Familie ins Visier. Ein Anwalt berichtet.

Zuerst die Hand der pflegebedürftigen Mutter, nach deren Tod die Wohnung. Die Zahl dreister Nachkommen steigt | Foto: Freeepik

| | Palma, Mallorca |

Die in Spanien weit verbreitete Kultur der Hausbesetzungen treibt zunehmend kreative Blüten. Auf Mallorca und den Nachbarinseln sorgt nun das Phänomen des sogenannten "Erben-Besetzers" für erste Schlagzeilen. Dabei handelt es sich laut MM-Schwesterzeitung "Ultima Hora" um eine Person, die vor dem sich andeutenden Tod der Eltern bei ihnen einzieht und anschließend die Immobilie nicht mehr verlassen will.

Der Anwalt Antonio Martínez will in den zurückliegenden Jahren einen merklichen Anstieg derartiger Fälle beobachtet haben. "In den vergangenen drei bis vier Jahren hat sich deren Zahl um 15 Prozent erhöht." Die Argumentation für den Verbleib im elterlichen Wohneigentum laute stets ähnlich: Dass die Eltern beziehungsweise ein Elternteil dem Sohn oder der Tochter "die Immobilie als Gegenleistung für die Pflege hinterlassen" hätten.

Dieser Gedankenweg sei jedoch zu kurz gedacht, diese Argumentation "besitzt keinerlei rechtliche Grundlage", so der Anwalt. Angesichts der explodierenden Immobilienpreise auf den Balearen, wo Erben "für viele die einzige Chance auf Wohneigentum" darstelle, rechnet Martínez mit einer weiteren Zunahme solcher Fälle.

Heikel werde die Situation, wenn mehrere Erben vorhanden seien und die Erbschaft aufgeteilt werden müsse. Oft fühlten sich die übrigen Familienmitglieder erpresst, sagt der Jurist. Der Besetzer werfe seinen Geschwistern vor, sich "nicht um die Eltern gekümmert" zu haben. Und: Nur 40 Prozent der Betroffenen würden tatsächlich Klage einreichen – die meisten scheuten den Rechtsweg "aus emotionalen Gründen".

Rechtlich haben die Miterben laut Martínez nur eine Option: eine Räumungsklage wegen unrechtmäßiger Nutzung. "Eine Wohnung zu besetzen, auch wenn man einen Teil davon erbt, ist eine Straftat", stellt der Anwalt klar. Erben dürften die Immobilie erst nach der Testamentseröffnung nutzen. So richtig kompliziert werde es, wenn der Besetzer minderjährige Kinder oder eine Behinderung habe – dann greife der Schutz vulnerabler Personen. Die Folge: "Eine Räumung verzöger sich erheblich."

Dazu kämen Eigenheiten der spanischen Gesetzgebung. Zahle der unrechtmäßige Bewohner 30 Jahre lang alle anfallenden Kosten der Immobilie, könne er Eigentumsrechte geltend machen. Manche dieser Besetzer aus dem Familienkreis trieben es besonders weit: "Sie vermieten ihre eigenen Immobilien und leben in der elterlichen Wohnung, um die Mieteinnahmen zu kassieren", sagt Martínez. Das sei nach seinem Dafürhalten "eine beispiellose Dreistigkeit".

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