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Warum Billard auf Mallorca entgegen aller Klischees eine ernste Wettbewerbssportart ist

Auf der Baleareninsel wird die Sportdisziplin nicht etwa als Zeitvertreib für Kneipengänger angesehen, vielmehr treten dabei ambitionierten Amateurspieler gegeneinander an

Ana Juárez gilt als ganz großes Talent am Filzstisch. In diesem Jahr wurde sie spanische Vize-Meisterin im Carambolage-Billard. | M. ALZAMORA

| Mallorca |

Wer auf die Idee kam (und vor allem warum), kleine massive Kugeln mit langen, dünnen Holzstöcken über einen Tisch zu stoßen, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben. Der Name des Spiels soll in Europa bereits in Schriften aus dem 13. Jahrhundert erwähnt worden sein, man nimmt an, dass Billard eine Art Indoor-Variante der im Mittelalter in England und Frankreich verbreiteten Rasen-Kricket-Spiele ist, und sich von dort im Laufe der Jahrhunderte über die ganze Welt ausbreitete. Dabei entstanden unterschiedliche Spielarten.

Die wohl geläufigste Form ist das Pool-Billard, das in den 1930er Jahren in den USA seinen Ursprung nahm. Münz-Billardtische zählen heute noch zu echten Klassikern in Spielhallen oder einschlägigen Szene-Bars weltweit. Die Regeln sind relativ simpel: mit einem weißen Spielball müssen nacheinander jeweils sieben Kugeln einer Farbe, genannte volle oder halbe Kugeln, in irgendeine von sechs am Tischrand platzierte sogenannte "Taschen" alias Löcher gestoßen werden. Der Spielball wird dabei als einzige Kugel mithilfe eines Queues, also dem Holzstock gespielt. Schafft einer der Spieler es nicht, eine seiner Kugeln zu versenken, ist der Gegenspieler dran. Als letzte muss stets die schwarze Kugel eingelocht werden. Diese Variante wird auch 8-Loch-Pool-Billard genannt, da insgesamt acht Kugeln, inklusive der schwarzen, von jedem Spieler eingelocht werden müssen, um zu gewinnen.

Im Vereinsheim des Billard-Clubs von Muro herrscht an den Tischen äußerste Konzentration.

Im Gegensatz zu Deutschland oder anderen mitteleuropäischen Ländern ist Billard auf Mallorca als Zeitvertreib für Kneipengänger nur sehr spärlich verbreitet. Weitaus populärer ist das Spiel dafür als Wettbewerbssport auf regionaler, nationaler und sogar internationaler Ebene. Fünf Clubs sind im balearischen Billard-Verband registriert, deren Sitz seit ein paar Jahren in Palmas Mehrzweckhalle Palma Arena untergebracht ist.

Dort trifft man fast täglich zwischen 16 Uhr und 22 Uhr die 19-jährige Ana Juárez. Sie krönte sich dieses Jahr zur spanischen Vize-Meisterin im Karambolage-Billard, das in fast allen Clubs auf der Insel gespielt wird. Im Gegensatz zum Pool-Billard geht es beim Karambolage nicht darum, einzelne Kugeln in Löcher zu versenken. Stattdessen spielt man über die gesamte Partie mit demselben Ball, seinem "Spielball", der gelb oder weiß gefärbt ist. Jeder Spieler muss versuchen, diesen so zu stoßen, dass er damit die beiden anderen Bälle berührt ("karamboliert"), wobei die Reihenfolge keine Rolle spielt. Gelingt dies, zählt das einen Punkt, und der Spieler darf seine Serie fortsetzen. Wer am Ende die vorgegebene Mindestpunktzahl erreicht, hat gewonnen. "Ich versuche jeden Tag mindestens zwei Stunden zu trainieren, auch wenn ich das mit meinem Studium vereinbaren muss. Mein Traum ist es, spanischer Meister oder gar Europameister zu werden", so Juárez, die von ihrem Vater trainiert wird, der selbst viele Jahre in der nationalen Billiard-Szene als Spieler aktiv war.

Nur wenige Meter von Tochter und Vater Juárez entfernt lässt Carlos Crespo an einem Tisch die Kugel klackern. Der amtierende Balearen-Meister gilt als einer der zehn besten Karambolage-Spieler in Spanien. "Der Erfolg beim Billard hängt zu 90 Prozent von deiner Konzentrationsfähigkeit ab", erklärt er. "Es geht vor allem darum, den Ball nach einer Karambolage so zu platzieren, das man von dort erneut eine gute Möglichkeit hat, zu punkten". Crespo spielt am liebsten 3-Band-Karambolage, eine Variante, bei der der Spielball vor der Berührung mit einer Kugel drei Tischbanden berüht haben muss. "Eine echte Kniffel-Aufgabe", sagt er. Zu lange überlegen solle man vor einem Stoß aber auch nicht. "Das kann einen ganz schnell aus der Konzentration bringen."

In der regionalen Billard-Liga sind insgesamt zehn Teams gemeldet, auch von Menorca und Ibiza. Turniere und Wettbewerbe finden in regelmäßigen Abständen zwischen September und Juni statt, im Sommer wird pausiert. "Im Verband sind auch mehrere Ausländer registriert", weiß Ana Juárez, insbesondere die Engländer unter ihnen spielen auf hohem Niveau.

Dass sie eines Tages vom Billardspielen leben kann, glaubt sie nicht. "Ich spiele immer noch, weil es mir Spaß macht, Preisgelder sind wirklich reine Nebensache". Ob sie mit ihren Freunden abends auch mal in eine Kneipe geht, um Pool-Billard spielen? "Selten", sagt Ana und muss dabei lachen. Die meisten ihrer Amigas hätten keine Lust, ständig gegen sie zu verlieren. Das kann man verstehen.

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