Rund 600 Besuche von Kreuzfahrtschiffen und damit die Ankunft von mehr als zwei Millionen Touristen an Bord waren für 2020 auf den Balearen geplant. Momentan gibt es noch kein konkretes Datum, wann im Hafen von Palma oder auf den Nachbarinseln Mallorcas wieder Touristen aus anderen Ländern haltmachen dürfen. Gegner sind erfreut, Passagiere ungeduldig, Reedereien beklagen die schlimmste Krise des Sektors seit Jahrzehnten.
Wie die spanische MM-Schwesterzeitung „Ultima Hora” am vergangenen Wochenende berichtet, halten einige Reedereien nach wie vor die Fähigkeit zur Wiederaufnahme des Betriebs noch im Juni für möglich. Realistischere Schätzungen gehen von Juli oder August aus. Im August wird etwa die amerikanische „Carnival Legend“ mit rund 2100 Passagieren zum ersten Mal in Palma erwartet.
Die noch rekordverdächtige Saison 2019 – damals kamen fast 2,2 Millionen Touristen per Schiff auf die Balearen –hat auch viele Gegner auf den Plan gerufen. Die Branche habe sich vom Eliten- zum Massentourismus entwickelt. In den vergangenen 20 Jahren sei die übliche Passagierzahl von durchschnittlich 2000 auf Auswüchse bis zu 7000 Gäste gestiegen. Kritisiert wird, dass die Schiffe die Luft verpesten, massig Wasser verbrauchen und Touristen Müll produzieren, wirtschaftlich der Stadt allerdings keine Einnahmen bescheren, weil sich die meisten an Bord verpflegen, keine Übernachtungen buchen oder gar das Schiff am Landtag nicht verlassen würden, um einzukaufen.
Bewohner und Umweltaktivisten forderten eine Begrenzung der Zahl der pro Tag anlegenden Schiffe, zuletzt stand die Zahl drei zur Debatte.
In der coronabedingten Zwangspause zeigt sich: Die kreuzfahrtfreie Zeit hat auch positive Auswirkungen. Das Wasser im Hafenbecken war selten so klar, sogar Delfine trauten sich hinein. Die Luft dürfte so wenig Kohlendioxid enthalten wie seit Jahren nicht mehr. Aida Cruises gibt für 2018 zum Beispiel an, dass jeder Passagier pro Tag für 59,8 Kilogramm direkte CO2-Emissionen an Bord sorgt.
Eine nun veröffentlichte Studie der Balearen-Universität (UIB) hat außerdem offengelegt, wie viel Wasser ein Kreuzfahrtschiff an seinem Liegeplatz in Palma verbraucht. 628.000 Liter täglich waren es 2018 – so viel wie mehr als 5000 Einwohner in Palma in dieser Zeit verbrauchen könnten.
Für die Versorgung an Bord – Essen, Trinken, Duschen, Wäscherei, Poolaufbereitung und so weiter – werde häufig Meerwasser genutzt, das entsalzt und aufbereitet wird. Die Balearen sind zu einem der führenden Reiseziele im Mittelmeerraum geworden, viele Schiffe haben den Hafen als Betriebsbasis gewählt. Hier soll auch der Wasserpreis günstiger als in anderen spanischen Häfen sein. Dementsprechend sei der Wasserverbrauch vor allem in der Hochsaison von Mai bis Oktober eines Jahres gestiegen. 2018 war er in der Nebensaison schon fast genauso hoch wie in anderen Jahren in der Hauptsaison – laut den Autoren wegen der Zunahme der Kreuzfahrtschiffe von November bis April.
Die Pause stürzt Reedereien in die Krise, Branchenführer Carnival gibt an, ein Monat Zwangspause koste den Konzern eine Milliarde US-Dollar. Ob der Verlust in Zeiten von Abstandsgeboten und einem Umdenken beim Thema Massentourismus aufgeholt werden kann, ist zu bezweifeln.
Die „Sea Cloud Spirit“ soll im Herbst zum ersten Mal in Palma einlaufen. Sie fasst 130 Passagiere. Foto: Archiv Ultima Hora
Der Plan für das laufende Jahr begrüßt auf den Balearen die Schiffe bekannter Reedereien und auch neue Schiffe mit unterschiedlichen Kapazitäten. Von den verhältnismäßig kleinen „Sea Cloud Spirit“ mit 130 Passagieren oder „World Explorer“ mit 200 Passagieren bis zu den Giganten „MSC Grandiosa“ mit 6330 oder „Allure of the Seas“ mit sogar 7400 Passagieren – in Palma gibt man sich weiter weltoffen. Die Reederei Costa hat bereits 100 Schiffseinläufe angekündigt und operiert weitere 94 der Aida-Linie. Die italienische MSC will mit ihren Schiffen 80-mal einlaufen.