Nur knapp dreißig Minuten entfernt von Palma, hinter dem Tunnel, umrahmt von den Bergen des Tramuntana-Gebirges, liegt Sóllers Orangental. Ein Ort, der bei Touristen seit Jahrzehnten beliebt ist. Wer einmal hier unterwegs war, wird immer zurückkommen – oder wird, wie die Autorin, die diese Zeilen schreibt, dort Wurzeln schlagen und sesshaft werden.
Der Charme des Ortes ist berechtigt: Zwischen Olivenhainen und Plantagen von Zitrusfrüchten erstreckt sich die Bergwand und der Gipfel von Mallorcas höchstem Berg, dem Puig Major. Dazu mallorquinische Dorf-Idylle. Zudem mündet wenige Kilometer weiter das Mittelmeer in den Hafenort Port de Sóller. Der lädt mit seiner verträumten Strandpromenade sowie zahlreichen Restaurants und Bars zum Verweilen ein.
Jahrzehntelang widmete man sich hier dem Tourismus – Urlauber und Einheimische verbrachten hier unvergessliche Sommer Seite an Seite. Doch nach der Pandemie kippte die Stimmung. Sóller machte in jüngster Zeit in den lokalen Medien viele negative Schlagzeilen: Massentourismus, überteuerte Mieten, fehlender Wohnraum und ständiges Verkehrschaos lösten in den vergangenen zwei Jahren lautstarke Proteste bei den Einheimischen aus. Nun scheinen viele Urlauber es satt zu haben, für alles beschuldigt zu werden. Sie fühlen sich nicht mehr willkommen.
Die Folgen: leere Restaurantterrassen, weniger Hotelbuchungen und fehlende Umsätze. Daraus resultieren derzeit: Kündigungen inmitten der Hauptsaison, Zwangsurlaub für Arbeitnehmer im Juli. Und natürlich die große Verwunderung: Wie konnte es so weit kommen?
Man bangt um die Existenz
Die Stimmung ist gespalten, die Gefühle sind gemischt. Während zahlreiche Anwohner sich nach wie vor deutlich gegen die Massen aussprechen, bangen andere bereits um ihre Existenz. „Wir haben die Touristen vertrieben”, so eine deutsche Inhaberin eines Landhotels in Sóller. „Ich hätte auch keine Lust, in einem Ort Urlaub zu machen, in dem ich nicht willkommen bin.”
Doch am meisten leiden die Restaurants. „Außer am Wochenende oder an verregneten Tagen ist hier nicht viel los, wir stehen uns die Beine in den Bauch – und das ist bereits seit Mai so”, erklärt ein mallorquinischer Servicemitarbeiter in einem sonst immer vollen Restaurant in Port de Sóller.
Gründe seien aber wohl auch die geopolitische Instabilität und steigende Preise. Ein anderer Mitarbeiter erklärt: „Es muss doch einen Mittelweg geben, zwischen Massentourismus und leeren Restaurants. Vor der Pandemie war noch vieles anders. Man hatte zu tun, aber konnte noch atmen und vor allem seine Unterkunft bezahlen. Wir wollen doch nur, dass es wieder so wird wie früher und dass unser Sóller nicht komplett überlaufen ist.”
Bleibt abzuwarten, ob eventuell die Nachsaison den Wirten noch zu schwarzen Zahlen verhilft. Oder ob es dann wohl für einige Unternehmen im kommenden Jahr definitiv heißt: Adéu per sempre (Auf Nimmerwiedersehen!)
Die Autorin ist seit 2017 Residentin in Sóller und arbeitet als Yoga-Lehrerin