Dass sich in Son Serra de Marina Fuchs und Hase gute Nacht sagen, ist unter Mallorca-Erfahrenen bekannt. Dass es in diesem stillen, fast wie aus der Zeit gefallenen Klein-Kosmos nahe einem Kiefernwäldchen und am tiefblauen Meer einen Ort gibt, den vielleicht selbst Fuchs und Hase für zu abgelegen halten, dürften nur Eingeweihte wissen. Dabei handelt es sich um ein Areal, mit dem auf der Insel tatsächlich Geschichte geschrieben wird.
Es geht nämlich um den ersten offiziellen Campingplatz für Wohnmobile auf Mallorca! Mit viel Brimborium und der Anwesenheit von Lokalpolitikern wie Joan Monjo, dem umtriebigen Bürgermeister der zuständigen Gemeinde Santa Margalida, wurde das Areal Ende Juli der Öffentlichkeit übergeben – inklusive Wasser- und Stromanschlüssen sowie Mülltonnen und Abwasserentsorgungsbecken. Wobei der Terminus Campingplatz für das, was angelegt wurde, etwas zu hochgegriffen ist: Toiletten gibt es nicht, einen Kiosk, eine Rasenfläche mit einladenden Sitzbänken oder gar einen Supermarkt wie in solchen Einrichtungen auf dem spanischen Festland, in Frankreich oder in Italien üblich, auch nicht. Einen Swimmingpool sucht man erst recht vergebens.
Dennoch sind die Besucher zufrieden: „Das ist alles klein, aber es reicht uns”, sagt Andrés Casas vom spanischen Festland. Der Iberer macht hier mit seiner Familie und einem per Fähre auf die Insel geschafften Campmobil Urlaub. „Wir brauchen keinen Luxus”, sagt er während der Ortsbegehung durch den MM-Emissär. „Uns reicht die Natur.” Ähnlich äußern sich die Angehörigen der Familie Mellado Palomino, die ebenfalls vom Festland – genauer gesagt aus Barcelona – herübergekommen sind, um die Sommerfrische in diesem verlorenen Winkel der Insel zu genießen. Hinzu kommen die deutschen Rentner Jürgen und Gudrun Wauer mit ihrem besonders glänzenden und geräumigen Wohnmobil, die voll und ganz ins Meer vernarrt sind.
Die momentan 21 und auf 23 erweiterbaren Abstellplätze befinden sich in einem sehr überschaubaren, eingezäunten und mit einer Schranke abgesperrten Geviert. Dieses fügt sich fast malerisch in eine naturbelassene Umgebung ein, in der es durchaus möglich ist, Kinder unter den schattenspendenden Kiefern herumtollen oder auf einem Grill ein Hähnchen schmoren zu lassen.
Um auf das Gelände zu kommen, braucht man eine App namens Tripstop. Hier kann man einen Platz reservieren und bezahlen. 16 Euro werden pro Nacht fällig, die Höchstzahl von aufeinanderfolgenden Tagen, die ein „Motorhome” auf dem Abstellareal bleiben darf, wurde auf zehn beschränkt.
Wer auf dem Campmobil-Platz von Son Serra de Marina eintrifft, muss die Stille lieben können. In den teils alten, teils neuen und auffallend schicken Einzelhäusern mit oder ohne Garten halten sich derzeit vor allem Sommergäste auf – rustikal daherkommende Spanier wie im ähnlich abgelegenen, an der Südküste gelegenen Ort Sa Ràpita, aber auch sichtlich solvente Mitteleuropäer. Letztere fahren unter anderem in Cabrios umher und trinken mutmaßlich Smoothies oder kalten grünen Tee. Wer als achtsamer Mallorca-Gast mit durchaus dickem Geldbeutel den total entschleunigten Komfort sucht, mietet sich in Son Serra de Marina halt ein Haus oder eine Wohnung. An Pools liegend oder auf Balkons Bücher lesend, vertreiben sich hier mitten im Berufsleben stehende Mitteleuropäer und mutmaßlich feinfühlige Angehörige der Generation Z fern von Lärm und Sauferei die Zeit. An einigen wenigen Stellen des Ortes wird mitunter laut geredet, was allen voran die Spanier glänzend bewerkstelligen, etwa im inselweit bekannten Moomba-Beachclub mit beeindruckendem Ausblick auf das Meer. Oder im rustikalen Restaurant „Sa Botigueta”, wo das Bier im angeschlossenen Mini-Supermarkt fast doppelt so viel wie bei Mercadona kostet, aber der Umgang familiär ist.
Doch diese Oasen der Geselligkeit können das ruhige Selbstverständnis des verloren-hippiehaften Ortes an der Bucht von Alcúdia, wo sämtliche Straßen im rechten Winkel aufeinander treffen, nicht übertünchen: Son Serra de Marina ist ein Spot, der nicht mehr seiner Entdeckung harrt und dennoch seinen eigenen, abgeschiedenen Charakter bewahrt hat. In diesem Sinne ist der neue Campmobil-Platz ein gleichgetaktetes Areal, wo Entspannung und Ruhe absoluten Vorrang haben.