Meldungen dieser Art lassen sich in vier Jahrzehnten Mallorca Magazin immer wieder finden. So berichtete MM vor fast genau 40 Jahren (36/1976) folgenden Sachverhalt:
"Der Sekretär des Ministeriums für Tourismus, Landwirtschaft und Naturschutz Zambias, Ndalama, verbrachte einige Tage auf Mallorca. Er wollte hier die Entwicklung des Tourismus studieren, um zu sehen, inwieweit die neuesten Erkenntnisse auf dem Gebiet in seinem Heimatland angewandt werden können. Sein Land erhielt von zehn Jahren die Unabhängigkeit von den Briten. Der Tourismus ist noch nicht so weit entwickelt. Doch man hofft in naher Zukunft in Zambia Touristen anlocken zu können."
Die Meldung ist ein früher Beleg dafür, wie selbst an exotischen Plätzen der Welt ein Interesse an Mallorca als Tourismusdestination besteht. Nicht so sehr, um selbst als Urlauber hier die freien Tage zu verbringen, sondern vielmehr, um vom Know-how der Insulaner zu profitieren. Die Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen. Im vergangenen Jahrzehnt tauchten hier etwa Fachleute aus dem Iran, Kasachstan, China, Kolumbien und Kuba auf, um den Insulanern in Sachen Tourismus-Management ein paar Kniffe abzuschauen.
Mallorca ist in der Tourismusfachwelt bekannt. "Man kann die Insel durchaus als die Wiege des hochwertigen Strandurlaubs im Hotel bezeichnen", sagt etwa Hans Müller, Direktor für den Hoteleinkauf bei Thomas Cook für Spanien, Portugal und Lateinamerika.
Die Keimzelle des "Geschäfts mit den Fremden" wurde historisch 1903 und 1905 mit der Eröffnung des Gran Hotels in Palma und der Gründung des Fremdenverkehrsverbandes Fomento del Tourismus angelegt. Bereits in den 1930er Jahren gab es einen ersten Urlaubsboom mit britischen Wintergästen und Ruheständlern in Port de Pollença. In den 1960er Jahren wiederum wurde die "Wiege des Massentourismus" an der Playa de Palma installiert, um den jungen Wirtschaftssäugling zu schaukeln. Mittlerweile ist er der Wiege entwachsen und schreitet altersmäßig auf die Rente zu. Doch Mallorca selbst ist nicht gealtert, sondern nach wie vor Zentrum und Vorreiter in Sachen Tourismus. Eine Handvoll Familienbetriebe - wie Riu, Meliá, Barceló und Iberostar - die einst damit begannen, Betten an Feriengäste zu vermieten, sind heute Marktführer im weltweiten Angebot des Strandtourismus sowie gewichtige Globalplayer in der City- und Business-Hotellerie der Weltmetropolen. Nur ein Zahlenbeispiel: Meliá Hotels International betreibt derzeit in 41 Staaten mehr als 370 Hotels mit über 99.000 Betten.
Wie hat sich diese erfolgreiche Professionalität der mallorquinischen Tourismusbranche herausbilden können?
Hans Müller benennt als Grund die reichhaltige Vielfalt der "Erfahrungswerte, die in Jahrzehnten gesammelt wurden". Müller erinnert daran, wie der Tourismus auf den Inseln begann. In den Anfangszeiten wurde im Geschäft mit dem Fremdenverkehr viel nach dem Motto "learning by doing" gearbeitet. So mancher Kellner sei teilweise "vom Feld weg" eingestellt worden. Damals mangelte es an Erfahrung sowohl bei den Reisenden, die sich als Urlauber häufig das erste Mal in Ausland sowie im Hotel aufhielten, als auch bei den Mitarbeitern, die meist kaum eine Fremdsprache beherrschten, dafür aber umso herzlicher die Gäste betreuten. "Ein freundliches Lächeln des Kellners war mehr wert, als zu wissen, wie das Besteck korrekt auf dem Tisch zu liegen hat", beschreibt Müller die Anfangsjahre des Mallorca-Tourismus.
In den 1980er und -90er Jahren erfolgte dann eine hohe Professionalisierung der Branche durch Mitarbeiterschulungen. "Hinzu kam, dass die Kinder der ersten Hoteliers allmählich Einzug in den Familienbetrieb hielten. "Die zweite Generation ist perfekt ausgebildet. Sie weiß, wovon sie spricht", sagt Müller, der eng mit den Unternehmensvertretern zusammenarbeitet.
Ein langjähriger Manager der Hotelkette Riu, der namentlich nicht genannt werden möchte, hat in den vergangenen Jahrzehnten aktiv an der Expansion des Unternehmens, erst in Spanien und dann im Ausland, mitgewirkt. Das Geheimnis für den Erfolg der Inselunternehmen sieht er in der Besonderheit der mallorquinischen Unternehmensgründer und ihrer Familien. Sie haben stets darauf geachtet, bei bestem Service die Produktionskosten auszubremsen. Der Manager zitiert seinen früheren Chef und Hotelgründer Luis Riu, der ihm einschärfte, "an den Kosten zu sparen, ohne an der Qualität zu sparen". Und darin bestehe die Kunst des Hoteliers, der täglich aufs Neue diese Herausforderung zu meistern habe. "In einem bestimmten Bereich einmal 1000 Euro einzusparen, das ist schwierig. Aber an 1000 Stellen irgendwo einen Euro einzusparen, das hat große Wirkung", sagt der Insider. Würde man also bei 60.000 Übernachtungen weltweit irgendwo auch nur 50 Cent in den Betriebskosten einsparen können, dann mache das am Tag 30.000 Euro aus. "Und dann rechne das mal über das Jahr hoch. Da kommt was zusammen."
Ein weiteres Beispiel aus der Karibik, wo US- und spanische Hotelketten am Markt präsent sind: Während US-Niederlassungen meist einen Fuhrpark von bis zu zwei Dutzend Betriebswagen unterhalten, seien es bei mallorquinischen Häusern nur ganz wenige Fahrzeuge. Das halte die Betriebskosten deutlich unter denen der US-Konkurrenz. Der Erfolg basiere letztlich auf Pfennigfuchserei. Das gelte etwa auch beim Energieverbrauch. "Mallorquinische Unternehmen achteten besonders darauf, wo sich ein paar Cent einsparen lassen. Und wenn lediglich aufgepasst wird, dass in den Küchen die Kühlkammern geschlossen bleiben und die Gasflamme nicht ohne Topf auf dem Herd lodert."
Viele der mallorquinischen Hotelunternehmen, die von der Insel aus zunächst auf die Kanaren, dann Richtung Karibik und später weiter in die globalisierte Welt expandierten, haben bei der Eroberung der neuen Märkte auf bewährte Partner gesetzt. Das gilt etwa für die Möbelindustrie in Manacor, wo die Betten, Stühle und Tische für die neuen Niederlassungen in der Karibik gefertigt wurden. Oder für Elektrobetriebe, die ebenfalls in der Neuen Welt zum Einsatz kamen. "Das ist der sogenannten Spill-over- oder Übertragungseffekt", sagt die Direktorin der Hochschule für Hotellerie auf den Balearen (Ehib), Maria Tugores. Auch das seien positive Erfahrungswerte der Hoteliers. "Wenn eine Kooperation sich bewährt hat, greift man bei Bedarf gerne wieder auf sie zurück." So habe die Expansion der mallorquinischen Hotellerie dem Handwerk Aufträge beschert und Arbeitsplätze gesichert.
Das fachliche Können der mallorquinischen Hotellerie beschränkt sich nicht nur auf Gebäude und Möbel, sondern beinhaltet in erster Linie das Können der Mitarbeiter. "Das Personal ist oft ausschlaggebend", sagt der Riu-Manager. Ein Hotelgebäude sei schnell errichtet. Doch selbst das exklusivste Trinkwasser im teuersten Kristallglas auf dem elegantesten Tisch verliere seine Attraktivität, wenn der Kellner alles falsch mache. Aus diesem Grund sei stets Wert gelegt worden auf eine Schulung der Mitarbeiter.
Wie hochwertig die Ausbildung in den touristischen Berufen auf Mallorca vom Ausland aus eingeschätzt wird, zeigt die Tatsache, dass der US-Staat Wisconsin seit 16 Jahren ein Abkommen mit der Ehib unterhält. So kommen US-Adepten nach Mallorca, um hier Fachwissen im Geschäft mit Sommergästen zu erlernen. Seit einem Jahr befinden sich zudem Kommilitonen aus China unter den Studierenden, mit demselben Ziel vor Augen. "Wir setzen auf Qualität und auf kontinuierliche Fortbildung. Jedes Jahr entlassen wir 500 Absolventen auf den Arbeitsmarkt", sagt Direktorin Tugores. "Das bedeutet jetzt aber nicht, dass sie alle auf Mallorca arbeiten. Nein, sie melden sich später bei uns von ihren neuen Stellen aus der Karibik oder Asien."
Qualitätssicherung ist kein einmaliger Akt, sondern müsse den veränderten Gegebenheiten immer wieder flexibel angepasst und neu errungen werden, sagt Tugores. Das gelte sowohl für die Hotellerie als auch für die komplementären Dienstleistungen. "Was vor 30 Jahren gut funktioniert hat, ist nicht unbedingt das, was auch jetzt oder in der Zukunft gut funktioniert."
Apropos Zukunft: Für Tugores ist der Weg Mallorcas klar vorgezeichnet. Die Insel müsse sich zur umweltbewussten Tourismusdestination wandeln. "Nachhaltigkeit ist die Herausforderung für unsere Zukunft."
(aus MM 32/2016)