Wenn bei Mallorca die Sonne im Meer versinkt – dann fängt das fiese Summen an. Myriaden von Mücken machen sich dann auf die Jagd nach frischem Blut. Die Insekten sind auf Mallorca vielleicht nicht ganz so häufig wie in einer mittsommerlichen Nacht an einem schwedischen See, treiben aber doch so manchen Inselbewohner und Urlauber zur Verzweiflung.
Auf Mallorca weiß über Mücken kaum jemand so gut Bescheid, wie Miguel Ángel Miranda. Der Biologe forscht und unterrichtet an der Balearen-Universität. Auf Mallorca am häufigsten seien die Stechmückenarten Ochlertatus caspius und Culex pipiens, die man auch in ganz Mitteleuropa antrifft. Abgesehen vom lästigen Jucken sind die Stiche dieser Insekten harmlos. Zumal sie auch nur in den Abendstunden und in den Monaten Mai bis Oktober aktiv sind. „Nach meiner Erfahrung ist es am effektivsten, einfach ein Hemd mit langen Ärmeln und eine lange Hose anzuziehen“, sagt Miranda.
Besonders betroffen sind auf Mallorca die Gegenden rund um die natürlichen Feuchtgebiete Albufera im Inselnorden oder Ses Fontanelles an der Playa de Palma. Die schlimmsten Mückenplagen aber entstehen, wenn die Ebene von Sant Jordi vor den Toren Palmas teilweise unter Wasser steht – was nach tagelangen Regenfällen oft der Fall ist.
Dann finden Mücken durch die unzähligen Wasserlachen optimale Bedingungen zur Eiablage vor: Denn die nach einigen Tagen schlüpfenden Larven leben im Wasser, bis sie sich zunächst in eine Puppe und dann in eine Mücke verwandeln, erklärt Miranda. Die Lebensdauer einer durchschnittlichen Mücke liege bei zwei Wochen.
Im Pla de Sant Jordi gibt es im Gegensatz zu den natürlichen Feuchtgebieten weder Fische, noch Frösche und auch nicht besonders viele Vögel – und damit kaum Fressfeinde, die die Mückenpopulation im Rahmen halten. Die Stadt Palma geht deshalb regelmäßig mit biologischen Schädlingsbekämpfungsmitteln gegen die Mücken vor. Zum Einsatz kommt der Bacillus thuringiensis, ein Bakterium, das die Mückenlarven im Wasser zerstört. „Für den Menschen völlig ungefährlich“, sagt Miranda.
Ungemach droht nun aber von anderer Seite. Miranda war es, der im vergangenen Herbst zum ersten Mal eine stabile Population der sogenannten Tigermücke auf Mallorca nachweisen konnte. Eine aufmerksame Inselresidentin aus Bunyola hatte ihn kontaktiert, weil ihr eine erlegte Mücke mit auffälligen weißen Punkten auf Körper und Beinen merkwürdig vorgekommen war.
Miranda machte sich auf den Weg und platzierte in der Umgebung mehrere Fallen. Nach einigen Tagen wertete er sie im Labor aus und tatsächlich: Er konnte Eier der Spezies Aedes albopictus nachweisen. Die entsprechende Falle hatte er am Rande einer Regenwassertonne angebracht.
Die Tigermücke stammt ursprünglich aus Asien, auf dem spanischen Festland ist sie bereits seit 2004 heimisch. Wie sie nun nach Mallorca gelangte ist unklar. „Am wahrscheinlichsten ist, dass sie als blinder Passagier in einem Schiff mitreiste und über den Hafen von Palma auf die Insel kam“, sagt Miranda.
Diese Insektenart unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten von den bisher auf Mallorca anzutreffenden Mücken, erklärt Miranda. So ist sie zum Beispiel tagaktiv. „Dadurch kann sie gerade in Touristenzonen für Probleme sorgen“, sagt er. Dass ihre Stiche grundsätzlich keine andere Reaktion hervorrufen, als die anderer Arten, hat Miranda selbst getestet: Er hat sich von einem Exemplar stechen lassen. „Das Ergebnis war wie bei jeder anderen Mücke auch.“
Allerdings gilt die Tigermücke als potenzieller Überträger bestimmter Krankheiten, wie etwa des Dengue-, des Chikungunya- und des West-Nil-Fiebers sowie der St.-Louis-Enzephalitis. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sie zuvor jemanden gestochen haben muss, der den Erreger einer dieser Krankheiten in sich trägt. Laut Miranda infizierten Tigermücken im Jahr 2007 in Italien 125 Personen mit dem Chikungunya-Virus, den ein Mann in sich trug, der von einer Asienreise zurückgekehrt war. Auf Mallorca habe es einen solchen Fall noch nicht gegeben. „Es ist aber dennoch wichtig, die Population zu kontrollieren und auf alle Fälle vorbereitet zu sein“, sagt Miranda.
Das scheint man beim balearischen Umweltministerium auch so zu sehen und hat nun zumindest eine Informationskampagne gestartet. Die wichtigste Botschaft: Die Bevölkerung möge darauf achten, dass keine auch noch so geringen Mengen Wasser in Blumentöpfen, Regenrinnen, Baumhöhlen, Hundenäpfen, alten Autoreifen oder sonstigen Behältern dauerhaft als Eiablageplätze für die Mücken dienen.
Für Panikmache gebe es jedoch keinerlei Anlass, sagt Miranda und verweist auf die Tatsache, dass auch andere Mückenarten Viren übertragen können. Erst seit 1967 etwa gilt in Spanien der ebenfalls von Mücken übertragene Malariaerreger als ausgestorben. Nichstdestotrotz werden Miranda und Kollegen in den kommenden Tagen erneut Fallen aufstellen, um die Ausbreitung der Tigermücke zu kontrollieren. Bislang gelang ihnen der Nachweis in fünf Gemeinden auf der Insel: Calvià, Bunyola, Marratxí, Esporles, Palma.
Sollte die Balearen-Regierung ein wirksames Bekämpfungsprogramm auf den Weg bringen, wäre es möglich, die Tigermücke auf Mallorca wieder auszurotten, sagt Miranda. Wenn nicht, werde es in zwei, drei Jahren normal sein, Exemplare der Art zu sehen. Ein Drama wäre aber auch das nicht: „Es ist wie mit allen Arten von Invasoren: Am Ende lernt man das Zusammenleben.“
DIE BETENDE MÜCKE
Berüchtigt unter den Mücken auf Mallorca ist die zur Unterfamilie der Sandmücken gehörende Phlebotomus perniciosus. Auf Mallorca heißt sie auch „Beata“, nach der mallorquinischen Heiligen Catalina Tomàs. Ihren Spitznamen verdankt sie laut Miguel Ángel Miranda der Tatsache, dass ihre Flügel in Ruhestellung parallel nach oben zeigen – ganz so, als bete sie. Die „Beata“ steht im Verdacht, die Leishmaniose zu übertragen, von der vor allem Hunde befallen werden. Beim Menschen kann sie besonders unangenehme Hautreaktionen hervorrufen.