MM: Wie haben Sie Mallorca kennengelernt?
Gabo: Zum ersten Mal lernte ich die Insel in den 1980er Jahren als Model kennen, als ich für eine Werbekampagne der Marke "Triumph" arbeitete. Die Straßen waren sandig und schlecht beleuchtet, und manchmal hatte ich das Gefühl, mich auf dem afrikanischen Kontinent zu befinden. Dicke Villen gab es damals kaum. 1987 schickte mich das "Stern"-Magazin als Fotografin nach Mallorca, um über deutsche "Aussteiger" zu berichten, die Fincas auf der Insel kauften, damals ein außergewöhnliches Phänomen.
MM: 1999 sind Sie dann dauerhaft nach Mallorca gezogen. Waren Sie zwischendurch wieder in Deutschland? Wo wohnen Sie hier genau und was bedeutet Mallorca für Sie?
Gabo: Ich bin insgesamt dreimal auf die Insel gezogen, habe nach den ersten beiden Aufenthalten jedoch jeweils wieder für mehrere Jahre in Deutschland gelebt. 1999 kam ich dann mit meinem Pferd nach Mallorca, das leider inzwischen verstorben ist. Seit über 25 Jahren bin ich eng mit der Insel verbunden und pendelte lange Zeit zwischen Berlin, Hamburg, Potsdam und Mallorca. Seit zwei Jahren lebe ich jedoch wieder dauerhaft auf meiner Finca im Südosten der Insel. Sie heißt "Rancho Felice", ist sehr naturbelassen und von Bergen umgeben – wild und romantisch – und verfügt über einen kleinen Swimmingpool. Auch meine beiden adoptierten Hunde leben hier bei mir. Mallorca zieht mich immer wieder an und steht für mich für Lebensqualität – dazu gehören Sonne, gutes Essen, Siesta und Lebensfreude … einfach dieses "Savoir vivre". In Deutschland hatte ich oft das Gefühl, dass das Leben nur noch aus Arbeit besteht, und seit Corona ist die Stimmung dort noch düsterer geworden. Hier hingegen fühle ich mich rundum wohl. Hier bin ich zu Hause. Mein inzwischen erwachsener Sohn Janik ist auf Mallorca aufgewachsen und spricht Mallorquín. Heute ist er CEO des Unternehmens Wolkn Island S.L. für Fotoproduktion.
MM: Viele Künstler loben das besondere Licht auf Mallorca. Fühlt sich für Sie das Fotografieren hier anders an als an anderen Orten?
Gabo: Ich liebe das natürliche Licht hier – es ist für meine Arbeit nahezu perfekt und macht das Fotografieren lebendiger, was sehr gut zu meinem Stil passt. In Deutschland zum Beispiel bin ich stark auf Studiotechnik angewiesen: Kabel, Blitze, Papphintergründe … das ist alles nicht „meins”. Licht ist alles, du kannst damit Präsidenten machen oder ein Image zerstören, eigentlich braucht man dafür einen Waffenschein! Doch auch hier arbeite ich immer mi Team: Ich habe einen Digital- Operator, einen Assistenten und meistens einen Stylisten sowie eine Visagistin dabei. Ganz ohne Technik geht es also auch auf Mallorca nicht. Ich habe hier viele Shootings gemacht, zum Beispiel mit dem Schauspieler Uwe Ochsenknecht. Dieses Jahr habe ich außerdem auch zum Beispiel das Frauen-Quartett Salut Salon für das Cover ihres neuen Albums fotografiert. Zudem fotografiere ich hier viele private Personen, die nicht unbedingt berühmt sind.
(Foto: Gabo)
MM: Sie hatten deutsche und internationale Polit-Größen sowie Hollywood-Stars vor der Kamera. Welche Begegnungen bleiben besonders in Erinnerung?
Gabo: Eigentlich sind mir die meisten Begegnungen gut in Erinnerung geblieben, von den Klitschko-Brüdern, Gerhard Schröder, Udo Jürgens bis Angelina Jolie. Besonders waren Shootings mit Yoko Ono, Kevin Costner oder Eric Clapton. Bei Shootings über einen ganzen Tag kommt man den Persönlichkeiten näher, lacht zusammen und erzielt optimale Bilder. Bei nur einer Stunde, wie es einmal bei Costner der Fall war, ist das schwieriger. Lustig war ein Strohballen-Setting, das sein Manager ablehnte. Die Begründung hierfür war, dass Kevin Costner, der Cowboy, sich dadurch "dreckig" mache ... also musste ich komplett umdisponieren. Kevin Costner sagte nur trocken: "Dann gehen wir eben gleich ins Bett." Ich musste über ihn steigen, um einen guten Winkel zu finden und sagte dabei scherzhaft: "I am afraid to fall down." Daraufhin erwiderte er: "Don’t worry, just tell me in time, so I will open my arms." Ich wurde knallrot, war total verlegen und wusste nicht mehr, in welche Richtung die Blende zu verstellen war …
MM: Vom Zwischenmenschlichen hängt demnach vieles ab – doch was ist, wenn die Chemie nicht stimmt?
Gabo: In fast 40 Jahren Fotografie kam es vielleicht zweimal vor. Selbst dann entstehen interessante Bilder, wie bei Eric Clapton – er hatte einen schlechten Tag, schaute leer in die Kamera, aber das Bild hatte eine wahnsinnige Anziehungskraft, weil es ehrlich war. Auch so ein Gesicht will raus. Meiner Ansicht nach ist ein wahrhaftiges, authentisches Bild das allerschönste.
MM: Lehnen Sie auch Aufträge ab,wenn sie nicht Ihren ethischen Vorstellungen entsprechen?
Gabo: Ja, in einem besonders schwierigen Jahr habe ich etwa einen Kalender für einen Schlachthof abgelehnt, der sein Image aufpolieren wollte. Im selben Jahr erhielt ich auch Anfragen für Kampagnen für Atomkraftwerke und Pelzmode, die ich ebenfalls aus ethischen Gründen ablehnte. Obwohl es finanziell attraktiv gewesen wäre, diese Aufträge anzunehmen, bin ich mir treu geblieben. Für mich zählt, abends in den Spiegel schauen zu können und mit mir im Reinen zu sein. Deshalb habe ich mich auch von politischen Inhalten zurückgezogen, wenn etwas nicht mit meinem Gewissen vereinbar war.
MM: Sie standen früher selbst vor der Kamera, bevor Sie hinter diese wechselten – welche Erfahrungen aus dieser Zeit prägen Sie noch heute?
Gabo: Ich habe selbst erfahren, dass schlechtes Licht fast weh tun kann! Aus dieser Erfahrung habe ich gelernt, wie entscheidend es ist, Licht und Menschlichkeit gezielt einzusetzen, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Dabei geht es darum, Menschen mit Licht und Respekt zu inszenieren, ohne sie zu entblößen oder bloßzustellen.
MM: Teilen Sie Ihre Erfahrungen auch mit der nächsten Generation von Fotografen?
Gabo: Ich war zuletzt als Gastdozentin an der Universität der Künste Berlin tätig, was mir viel Spaß gemacht hat. Viele Studenten begeistern sich wieder für Analogfotografie – alte Kameras wie Pentax, Leica oder Contax werden wieder beliebt. Es ist wie bei Vinylplatten: Es gibt einen Rücktrend, bei dem die Begeisterung für Analog wächst, auch wenn die Kosten weitaus höher und der Aufwand größer sind.
(Foto: Tina Ruland)
MM: Wie erleben Sie den Übergang von Analog zu Digital, und welchen Einfluss hat die KI-Revolution auf die Fotografie?
Gabo: Lange Zeit war ich ein Verfechter der Analogfotografie und stand digitalen Methoden eher skeptisch gegenüber. Film hat für mich eine ganz besondere Haptik, einen "Schmelz" und durch das Korn eine Tiefe, wie das Licht eingefangen wird. Trotzdem musste ich mich irgendwann auf digitale Technik einlassen, weil sie einfach enorme Vorteile bietet. Man sieht sofort das Ergebnis, kann Fehler direkt korrigieren und Bilder sofort an Kunden weiterleiten – das spart viel Zeit und verhindert, dass ein ganzer Film durch Licht beim Transportruiniert wird. Heute fotografiere ich auch digital, aber der analoge Charme bleibt für mich unschlagbar. KI sehe ich eher kritisch. KI greift auf unsere bestehenden Bilder zurück, um neue zu erzeugen – oft ohne dass wir dafür unsere Zustimmung geben. Das fühlt sich für mich wie ein Diebstahl an, unsere Copyrights werden missbraucht. Ich stehe für Wahrheit, das wahre Bild muss erhalten werden. Nicht künstlich geschaffen. Ich finde, KI sollte nur zur Optimierung genutzt werden. Am Ende ist es egal, wie man zu einem beeindruckenden Bild kommt. Aber man sollte sich nicht darin verlieren und Gott spielen. Für mich muss ein gutes Bild einfach treffen, Emotionen auslösen. Es sollte Humor, Lebensfreude ausdrücken, was mir gefällt. Auch Tiefe, Persönlichkeit und ein bisschen Glamour.
MM: Nach Ausstellungen in Städten wie Wien, München, Hamburg und Cannes in den vergangenen Jahren – wo kann man Ihre Arbeiten derzeit entdecken?
Gabo: Gerade jetzt sind viele meiner Werke in der Ausstellung Big Shots in der Leica-Galerie in Konstanz zu sehen, die noch bis 11. Oktober läuft. Dort hängen sie gemeinsam mit neueren Arbeiten, insgesamt sind es 54 Fotografien. Bei meiner letzten Ausstellung in Berlin waren es über 100, kurz vor Corona, was wirklich sensationell war. Und all diese Werke zeigen Ikonen.