Wenn man dieser Tage seinen Augen nicht trauen will, begebe man sich zuvörderst auf den schön langen Uferboulevard Paseo Marítimo zu Palma. Bereits auf fast sämtlichen Kilometern Länge offenbart sich dem Flaneur eine Welt, wie sie dort ehedem nicht zu spüren war: Überall rauschen neu gepflanzte Palmen in einer leichten Brise, mancherorts wird das Wachstum des Grases bewusst einfach sich selbst überlassen. Vor dem Auditorium Palma wähnt man sich nachgerade fast in einer Art Wald, zumal dafür unter anderem eine Palma-Institution wie die Diskothek Social Club weichen musste, die früher eine große Fläche einnahm. Wo ehedem in der Mitte der Straße auch Autos in übergroßer Zahl parkten, ist jetzt alles grün, die Bewässerung geht durch ein ausgeklügeltes Rohr- und Schlauchsystem über die Bühne.
Das noch von der sozialistisch geführten Vorgängerregierung der aktuellen konservativen Insel-Verwaltung initiierte Mega-Projekt zum Rückbau der einst autobahnbreiten Uferstraße ist jetzt endlich nach vielen Jahren so gut wie fertig. Wohl weil der weitaus größte Teil der Strecke wie aus dem Ei gepellt daherkommt und nur an den Enden am deutschen Konsulat und nahe der Kreuzung mit der Avenida Argentina noch Bauarbeiten stattfinden, steigt am 15. und 16. November die feierliche Eröffnung. Es wird für den Sonntag jenes Wochenendes laut der balearischen Hafenbehörde als Haupt-Happening ein Zehn-Kilometer-Lauf organisiert, der erstmals auch durch sonst unzugängliche Bereiche des Hafens führt. Umrahmt wird das Ganze von einem Potpourri weiterer sportlicher Aktivitäten, nämlich Stretching, Body Combat, Yoga, Body Balance, Salsa, Swing und Zumba. Zudem ist geplant, dass Händler auf der bei der MM-Ortsbegehung noch immer im Umbau befindlichen Plaza Santo Domingo de la Calzada an Ständen Waren anbieten.
Und die Freude über die schöne neue grüne Welt ist nachvollziehbar. Denn bereits seit dem Jahr 2022 wird an dem vormals verstörend grauen Boulevard gebaut, der Lärm der Bagger und sonstigen Baumaschinen brachte viele Anwohner fast zum Wahnsinn und trieb so manchen Gewerbetreibenden sogar in den Ruin. Insgesamt flossen in den vergangenen Jahren 40 Millionen Euro in die von dem Ibizenker Star-Architekten Elias Torres geleitete Umgestaltung. Dutzende Bäume wurden zum Ärger von Anwohnern gefällt, neue Sträucher und sonstige Pflanzen wurden aber in so großer Zahl in der Erde verankert, dass das Gefühl, sich mit Wohlgefallen in einer grünen Lunge zu befinden, durchaus nachvollziehbar ist. Zumal diese Philosophie der zeitgemäßen Nachhaltigkeit auch rund um die neuen, noch nicht bezogenen Gebäude des Club de Mar erlebbar ist, faszinierende hängende Gärten inklusive. Hinzu kommen Spielplätze, neue, fluffig-luftig anmutende Bänke und Sitze, nagelneue Bushaltestellen und schwarze Ampeln sowie wohlgeschwungene Straßenlaternen.
Der neue Paseo Marítimo symbolisiert eine durch und durch zeitgemäße Abwendung von einer auto- und beton- zentrierten Sichtweise hin zu einem fußgänger- und radfahrerfreundlichen Ansatz, eine städtebauliche Entschleunigung. Ob diese Denkweise auch zur Philosophie der seit dem Sommer 2023 regierenden Konservativen passt, ist fraglich. Unter ihrer Ägide wäre dieses Mammutprojekt höchstwahrscheinlich nicht einmal angedacht worden.