Noch weiß niemand so genau, wie das Zusammenleben nach Corona tatsächlich aussehen wird. Aber schon jetzt zeichnet sich ab, dass im Alltag vieles anders sein wird als jener Zustand, der vor der Pandemie als normal galt. Auch auf Mallorca werden derzeit viele Konzepte erdacht, diskutiert, verworfen oder zu Plänen ausformuliert, dabei stets die Frage im Blick, wie das gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Miteinander in einer Zeit nach der stufenweisen Aufhebung des Alarmzustands zu gestalten ist.
Nicht nur die Regierungen in Madrid und Palma machen sich Gedanken. An Szenarien für die nahe Zukunft feilen auch Arbeitgeber, Gewerkschaften und Institutionen. Sie bringen eigene Ideen ein oder schauen sich Anregungen von auswärts ab.
In Bereich Tourismus haben sich Madrid und die Regionen darauf geeinigt, ein einheitliches Gesundheitsprotokoll für die Wiedereröffnung des Fremdenverkehrs zu koordinieren. Mallorcas Hotelverband erklärte, er setze auf die Einführung eines europäischen Gesundheitspasses. Zudem werde viel debattiert über die Anwendung von Technologien und Bewegungs-Apps, um bei Corona-Verdachtsfällen die Kontakte der Betroffenen rückverfolgen zu können.
Meliá Hotels International prüft derzeit in einer Studie die Desinfektion der Zimmer unter Anwendung von UV-Licht. Der weltweit tätige Konzern setzte in ersten Überlegungen auf größere Mindestabstände in den Gemeinschaftsbereichen wie den Spas. Auch in der Bewirtung zeichnet sich ein Wandel ab: Beim Büfett sollen verstärkt verpackte Portionen zum Einsatz kommen. Es soll zudem punktgenau auf den tatsächlichen Bedarf gekocht werden, wie das beim Showcooking bereits der Fall ist.
Unterdessen wollen die Balearen und der deutsche Reiseveranstalter Tui eng kooperieren, um sobald wie möglich wieder Tourismus auf den Inseln „bei einem Maximum an Sicherheit” garantieren zu können, sagte Arbeitsminister Iago Negueruela. Bei der Videokonferenz einigten sich die Beteiligten darauf, gemeinsam an einem Terminplan für die Reaktivierung des Tourismus nach dem Ende der Coronakrise zu arbeiten. Nach Negueruelas Worten sind die Politiker und der Reiseveranstalter damit beschäftigt, Sicherheitsprotokolle zu erstellen, um den Tourismus „so bald wie möglich” wieder hochfahren zu können. Voraussetzung dafür sei die Einhaltung strenger Sicherheitsstandards.
Der Hotelverband Playa de Palma schlug vor, die Urlaubermeile zu einer „Pilotdestination” zu machen. Aufgrund der geringen Ausbreitung des Coronavirus auf der Insel würde sich die Playa de Palma anbieten, zu prüfen und zu testen, wie Mallorca touristisch wieder erschlossen werden könnte, bis ein Impfstoff gegen das Virus gefunden ist. Die Vereinigung erklärte, der fünf Kilometer lange Strand in Flughafennähe würde es erleichtern, Mindestabstände einzuhalten. Auch die breiten Spazierwege und Parks seien „unverzichtbare Voraussetzungen”, um die von den Behörden empfohlenen Sicherheitsmaßnahmen in die Praxis umzusetzen. Der Verband stimme sich derzeit mit deutschen Tourismusunternehmen und Fluggesellschaften ab, um das Wirtschaftsleben an der Playa wiederzubeleben.
Der balearische Verband der Familienunternehmen (Abef) fordert seinerseits Massentests in den Betrieben und in der Gesellschaft. Auf diese Weise sollen Infizierte entdeckt und in Quarantäne genommen werden, damit die Bevölkerung ohne gesundheitliche Gefährdung zur Arbeit gehen könne und die wirtschaftliche Tätigkeit nicht ruhe.
Mallorcas Gastronomieverband überlegt, die gesundheitliche Sicherheit in den Restaurants zu gewährleisten, etwa durch Plexiglasparavents zwischen den Tischen, die wiederum eineinhalb Meter Abstand untereinander aufweisen müssen. Statt per Menükarten wird das Angebot der Speisen per QR-Code auf die Smartphones der Gäste übermittelt. Zunehmend mehr Lokale ziehen die Auswärtslieferung ihrer Gerichte in Betracht.
Statt per Menükarte wird das Speisenangebot des Restaurants per QR-Code aufs Smartphone übermittelt. Foto: Jaume Morey
Am Flughafen Palma prognostiziert man für dieses Jahr lediglich acht Millionen Fluggäste, nach knapp 30 Millionen im Vorjahr. Felipe Navío vom spanischen Verband der Fluggesellschaften (AECA), sprach von der Möglichkeit, in den Flugzeugen jeweils Sitzreihen oder Sitzplätze freizulassen. Die verringerte Auslastung der Maschinen bedeute jedoch einen Einnahmeverlust sowie zwangsläufig höhere Flugpreise. „Nicht jeder wird fliegen können.”
Die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol hatte zuvor an Airports und Häfen – den klassischen Inselzugängen – Gesundheitskontrollen und Körpertemperaturmessungen gefordert sowie einen Gesundheitspass für alle, die anreisen.
Vor großen Umwälzungen sieht sich auch der Textilhandel. Konzepte, die das Warenhaus El Corte Inglés derzeit prüft, lassen die Zukunft erahnen: Anprobierte Ware soll anschließend in Kleidungsäcken desinfiziert werden. Die Umkleidekabinen werden vergrößert, der Vorhang durch Türen ersetzt, da diese sich leichter reinigen lassen. Kunden wird am Eingang die Körpertemperatur gemessen. Im Falle von Warteschlangen gibt es Sicherheitsabstände. Die Bezahlung soll bevorzugt per Karte oder Mobiltelefon erfolgen.
Das Kaufhaus El Corte Inglés ist am Überlegen, am Eingang bei Kunden die Körpertemperatur zu erfassen. Foto: Teresa Ayuga
Auch im Gesundheitswesen stehen Veränderungen an. In Kliniken und Ärztezentren sollen Patienten die Sprechstunden ohne Begleitung aufsuchen. Ausnahmen gelten für Minderjährige oder hilflose Angehörige. In den Warteräumen werden Sitzplätze ausgewiesen, die nicht benutzt werden dürfen. Auf diese Weise soll ausreichender Sicherheitsabstand eingehalten werden.
(aus MM 18/2020)