Kaum hatten britische Zeitungen das Wort "Touristenhass" entdeckt, wurde Mallorca zur Insel der Angst erklärt. Schlagzeilen wie "Panik auf Mallorca" und "Urlauber nicht mehr willkommen" verbreiteten sich rasend schnell – und zwar nicht auf der Plaça Major, sondern auf der Inselgruppe der Empörten: den Titelseiten von Daily Mail, Mirror und Express. Dort wurden Proteste gegen Überfüllung kurzerhand zu antitouristischen Feldzügen erklärt. Jetzt läuft in den Regierungsbüros der Balearen die Beruhigungsmaschinerie auf Hochtouren.
Die Strategie: Diplomatische Schadensbegrenzung mit mediterranem Lächeln. Konsuln werden empfangen, Reiseveranstalter umarmt, PR-Offensiven geplant. Man wolle, so heißt es, "eine Botschaft der Sicherheit und Gastfreundschaft" aussenden. Insbesondere nach Großbritannien und Deutschland – den Quellländern, wie man im Tourismustechnokraten-Spanisch sagt. Übersetzt: Die mit dem Geld.
Hitzewelle in der Boulevardpresse
Auslöser der internationalen Aufregung ist eine Reihe lokaler Demonstrationen gegen Massentourismus und Wohnungsknappheit – begleitet von Spruchbändern und ironischen Plakaten. Dass britische Medien daraus apokalyptische Visionen von „Einreiseverboten“ und „70-Pfund-Steuern“ strickten, hat die balearische Landesregierung kalt erwischt. Dass ausgerechnet Jet2-Chef Steve Heapy öffentlich erklärte, Urlauber fühlten sich „nicht mehr willkommen“, ließ endgültig die Alarmglocken schrillen.
Denn wo sich Wahrnehmung in Buchungszahlen niederschlägt, wird aus einem PR-Problem schnell ein ökonomisches. 3,2 Prozent weniger britische Besucher im Jahr 2024, bis zu 20 Prozent Rückgang in den ersten Monaten von 2025 – das tut weh. Die Schuld sucht der Direktor der balearischen Tourismusstrategieagentur AETIB Pere Joan Planas allerdings nicht bei den Protestierenden, sondern bei den Hotelrechnungen. Die seien zu hoch, der Wettbewerb hart. Wütende Slogans auf Kartonschildern schaden da weniger als dreistellige Übernachtungspreise in Häusern mit Betoncharme.
Welcome, aber bitte mit Reservierung
Also wird nun versichert, Mallorca sei "sicher", Touristen "immer willkommen" und die Demonstrationen ein "Ausdruck demokratischer Debattenkultur". Ein bisschen wie in einem Restaurant, in dem man freundlich lächelt, während hinter der Theke das Personal in den Streik tritt. Die ausländischen Partner sollen helfen, die Debatte zu versachlichen – und vor allem: die Urlauber gleichmäßiger übers Jahr zu verteilen. Entsaisonalisierung nennt sich das – ein Zungenbrecher mit wirtschaftlicher Hoffnung.
Die AETIB bittet Reiseveranstalter deshalb, ihr Geschäftsmodell zu überdenken. "Wir fragen sie, ob sie mit uns zusammenarbeiten", sagt Direktor Planas. Eine höfliche Formulierung für: Vielleicht nicht alle gleichzeitig im August nach Magaluf, bitte. Weniger Gedränge, weniger Frust, weniger Schlagzeilen – so der Plan.
Ob dieser Wunsch auf offene Ohren stößt, ist ungewiss. Schließlich lebt der Massentourismus nicht gerade vom Maßhalten. Und ob die Kundschaft von Jet2 begeistert ist, wenn sie künftig statt "All-Inclusive im Hochsommer" nur noch "Windjacke im März" buchen kann, bleibt fraglich.
Am Ende bleibt der Eindruck: Mallorca will sich neu erfinden, ohne alte Einnahmequellen zu verlieren. Ein Balanceakt, der schwerer wiegt als jeder Rollkoffer. Und während auf der Insel weiter protestiert wird, bleibt das Motto der Regierung klar: Liebe Urlauber, bitte weiter sonnen – wir regeln das. Irgendwie.