Wie relevant Märchen noch immer für die mallorquinische Kultur sind, zeigt die Geschichte von Maria Enganxa: Sie ist ein Fabelwesen mit hakenförmigen Fingernägeln, das in Brunnen oder Zisternen lebt. Jeden, der sich zu sehr der Wasseroberfläche nähert, zieht Maria in das unterirdische Reich, aus dem es kein Zurück mehr gibt. Die Erzählung brachte Kindern auf Mallorca bei, in entsprechenden Situationen vorsichtig zu sein. "Noch heute lebt diese Persönlichkeit in unserer Vorstellung weiter", sagt Caterina Valriu, Schriftstellerin, Professorin für Philologie und Linguistik und Geschichtenerzählerin aus Inca.
Caterina Valriu in ihrem Arbeitszimmer. Ein Regal besteht vollständig aus folkloristischer Literatur. "Der mallorquinische Märchenkatalog umfasst zwischen 600 und 700 Geschichten", so die Philologin.
"Das Lesen und die Bibliotheken haben mich und meinen Weg geprägt", sagt Valriu. Ihr professioneller Werdegang beginnt mit einem Philologiestudium an der Universität der Balearen, das sie 1983 abschließt. Zwei Jahre später schreibt die Mallorquinerin eine auf mündlichen Überlieferungen basierende Diplomarbeit über den antiken Karneval auf der Insel. Seit 1990 arbeitet Valriu als Professorin an der Balearen-Uni, ihre Spezialgebiete sind Folklore, traditionelle Volksliteratur – insbesondere Erzählungen – sowie Kinder- und Jugendliteratur.
"Ich will die Kultur und die Identität von Mallorca stärken und dazu beitragen, dass die Menschen mehr lesen", erklärt Valriu, was sie antreibt. Die Sprachwissenschaftlerin, die 1992 mit einer Arbeit zum Einfluss von Märchen auf die zeitgenössische katalanische Kinderliteratur promovierte, ist auch als Schriftstellerin tätig. Valriu hat sowohl Bearbeitungen von Legenden und Volksmärchen veröffentlicht – vor allem für Kinder, aber auch für Erwachsene –, als auch eigene Märchen. 2006 erschien ihre erste Geschichte, "Galceran und die Marienkäfer". Insgesamt umfasst ihre Bibliografie rund 20 Titel zuzüglich rund 100 Presse-Artikeln und Vorträgen auf Kongressen.
Rund 20 Märchenbücher hat Valriu geschrieben. Jenes über "Galceran" (l. o.) wurde sogar ins Koreanische übersetzt.
"Wenn ich Geschichten für Kinder oder Artikel schreibe, versuche ich immer, eine Tür zu öffnen und die Menschen einzuladen", bekennt Valriu. Das gleiche Ziel verfolgt sie schon seit 1987 unter dem Spitznamen "Catalina Contacontes" als lebendige Geschichtenerzählerin für Kinder, Erwachsene und Senioren. Valriu ist eine der wenigen ihrer Art und reichert ihre Live-Erzählungen, die ohnehin etwas Besonderes sind, mit schauspielerischen Elementen an. Dabei begleitet die Mallorquinerin immer ein Koffer mit Requisiten. "Inzwischen habe ich etwa 4000 Sitzungen abgehalten", zählt Valriu. "Ich mache es einfach sehr gerne!"
Permanentes Medium von Valrius Geschichten, geschrieben oder mündlich vorgetragen, ist die katalanische Sprache. "Es ist eine Minderheitensprache mit großer kultureller Tradition und einem außergewöhnlichen Sprachschatz", frohlockt die Philologin. Valriu ist als Angehörige des Fachbereichs der katalanischen Philologie der Universität der Balearen Teil des "höchsten Beratungsgremiums für alle Fragen im Zusammenhang mit der katalanischen Sprache auf den Balearen", wie sie sagt. Katalanisch hat gemäß der spanischen Verfassung und dem Autonomiestatut der Balearen die gleiche Stellung und Berechtigung wie das kastilische Hochspanisch.
In ihren Erzählsitzungen setzt Valriu ihre gesamte schauspielerische Klasse ein, um das Publikum einzunehmen.
Einer von Valrius Helden in diesem Zusammenhang ist Ramon Llull: Der Autor, Philosoph und Theologe aus dem 13. Jahrhundert und eines der historischen mallorquinischen Idole schlechthin verfasste als erster Schriftsteller der Geschichte Werke auf Katalanisch. Insgesamt 265 Bücher tragen seinen Namen. Fachleuten gilt Llull auch als einer der Wegbereiter eines europäischen und universalistischen Willens, der die Vernunft und den Dialog als einzigen Weg sieht, die Wahrheit und den Frieden zu erreichen. Das Kloster La Real in Palma, wo sich der Gelehrte im Alter von 33 bis 42 Jahren zurückzog, um zu studieren und um seine ersten Bücher zu schreiben, ist einer der Lieblingsorte von Caterina Valriu.
Das Arbeitszimmer von Valriu macht einen ähnlich intellektuellen Eindruck. Es sieht aus wie in einer Bibliothek. Ein Regal ist vollständig der Folklore gewidmet: Märchen, Geschichten und Legenden aus verschiedenen Teilen der Welt – auch aus katalanischsprachigen Ländern. Ein Katalog, an dem Caterina Valriu ihren Anteil hat.
Der Gelehrte Ramon Llull ist eines der Idole von Caterina Valriu, die hier mit einer Statue zu sehen ist, die ihn im Kloster La Real in Palma zeigt.
Kooperation mit TUI
Unterstützung aus der Touristikbranche: Gesponsert wird das Video-Projekt von Europas führendem Touristikkonzern Tui und seiner Tui Care Foundation. Gegründet wurde die Initiative 2016 mit dem Ziel, in den Destinationen nachhaltige Projekte zu unterstützen. Dabei setzt die Stiftung auf das Potenzial des Tourismussektors als Motor für gesellschaftliche Entwicklung, Bildung und Wohlstand. Der Konzern fördert dabei nachhaltigen Tourismus in Zusammenarbeit mit Einheimischen.